Seit über einem Jahr steht der erste langwirksame Komplementinhibitor Ravulizumab (Ultomiris®) als Zusatztherapie zu einer Standardbehandlung bei Azetylcholinrezeptor (AChR)-Antikörper-positiven Erwachsenen mit generalisierter Myasthenia gravis (MG) in der Europäischen Union zur Verfügung.1 Wie in der Zulassungsstudie CHAMPION-MG-306 kam es unter Ravulizumab auch im Langzeitverlauf zu einer raschen und signifikanten Verbesserung der klinischen Effektivitätsparameter.2 Dies belegte eine Zwischenanalyse der offenen Extensionsstudie der CHAMPION-MG-306 nach 60 Wochen.3 Zudem zeigte sich, dass es unter Komplementinhibition seltener zu klinischen Verschlechterungen kam und eine Einsparung von Glukokortikoiden möglich war – bei dem aus anderen Indikationen hinlänglich bekannten und bewährten Sicherheitsprofil von Ravulizumab.3
Die generalisierte Myasthenia gravis (MG) ist eine seltene, chronische Autoimmunerkrankung der neuromuskulären Erregungsübertragung.4 Als klassische Autoimmunerkrankung wird die MG durch Autoantikörper gegen unterschiedliche Proteine der postsynaptischen Membran der neuromuskulären Endplatte hervorgerufen.5 In 85 % der Fälle sind Autoantikörper gegen den nikotinergen Azetylcholinrezeptor (AChR) nachweisbar.6 Diese führen neben einer funktionellen Rezeptorblockade und einer Rezeptormodulation zu einer chronischen und unkontrollierten Aktivierung des Komplementsystems, die die neuromuskuläre Endplatte nachhaltig schädigt und damit die Signalübertragung beeinträchtigt.4
Klinisch geht die MG mit einer fluktuierenden belastungsabhängigen Muskelschwäche einher und kann durch ihren meist generalisierten Verlauf die Kopf-, Hals-, Rumpf-, Extremitäten- und Atemwegsmuskulatur beeinträchtigen (generalisierte MG). Dies führt zu einer massiven Einschränkung des täglichen Lebens und wirkt sich negativ auf die Lebensqualität aus. Hinzu kommt, dass zwei von drei Betroffenen trotz Standardtherapie weiterhin unter myasthenen Symptomen leiden.7
MG – therapeutischer Paradigmenwechsel
Wurde bei der Behandlung der generalisierten MG bisher ein eskalationsgeleiteter Therapieansatz durchgeführt mit einem meist langen Leidensweg für die Betroffenen hinsichtlich Krankheits- und Therapielast, ist mit der Veröffentlichung der neuen S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie myasthener Syndrome der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN)4 nun ein krankheitsaktivitätsgeleitetes Vorgehen möglich. Hierbei kann bei hoher Krankheitsaktivität zusätzlich zur Standardbehandlung frühzeitig eine Zusatztherapie ausgewählt werden, um das übergeordnete Therapieziel der bestmöglichen Krankheitskontrolle unter Wiederherstellung bzw. Erhalt der Lebensqualität zu erreichen. Dies bedeutet für die Betroffenen eine raschere, effektivere Symptomkontrolle sowie die Verbesserung der Lebensqualität.
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