Eisenmangelanämie

NATUR+PHARMAZIE 5/2016

Komplexe Pathophysiologie verursacht Störungen

Das Element Eisen übt im Organismus lebenswichtige Funktionen aus und ist unter anderem an Respiration, Energieproduktion, DNA-Synthese und Zellproliferation beteiligt. Eisenmangel ist weltweit nach wie vor die Hauptursache von Anämie. Diagnose und Behandlung dieses Zustandes sind nach Ansicht einer italienischen Expertin durchaus verbesserungsbedürftig.

Gut zu wissen

Bevacizumab reduziert Schlaganfall-Schäden – bei Mäusen

Bevacizumab (BEV) ist ein Inhibitor von VEGF (vascular endothelial growth factor) und wird mittlerweile bei zahlreichen onkologischen Erkrankungen eingesetzt. Neben Antiangio genese-Effekten wirkt die Substanz aber auch neuroprotektiv durch Reduzierung von Gefäßlecks und Ödemen. Daher untersuchte man an Mäusen, ob BEV die Folgen eines induzierten Apoplex reduzieren kann. Die Versuchstiere, die BEV nach einem Apoplex intraperitoneal infundiert bekamen, wiesen ein geringeres Volumen an zerstörtem Hirngewebe und eine größere Penumbra auf als Vergleichstiere. Das ebenfalls untersuchte Sildenafil (Vasodilatator) hatte im gleichen Setting übrigens keine positiven Effekte.

Novitzky I et al.: Biomed Res Int 2016; 2016: 3938523

Der menschliche Körper hat sich verschiedene Methoden zugelegt, um Eisen zu sparen. Dazu gehört das Recycling von Eisen nach dem Zerfall von Erythrozyten und die Retention von Eisen (einen Ausscheidungsmechanismus gibt es nicht). Überhöhte Eisenspiegel sind aber toxisch; deswegen ist die Resorption auf täglich 1 bis 2 mg begrenzt. Der größte Teil des täglich benötigten Eisens (etwa 25 mg) wird durch Makrophagen bereitgestellt, die alternde Erythrozyten phagozytieren. Diese Mechanismen werden durch das Hormon Hepcidin unter Kontrolle gehalten. Es sorgt für Eisenspiegel innerhalb der Normgrenzen, sodass Eisenmangel und Eisenüberschuss vermieden werden. Eisenmangel bedeutet eine Verminderung der Eisenvorräte. Er kann einer manifesten Eisenmangelanämie vorausgehen oder aber ohne Progredienz bestehen bleiben. Bei Eisenmangelanämie sind die erniedrigten Eisenspiegel mit Anämie verbunden, die durch mikrozytäre hypochrome Erythrozyten gekennzeichnet ist. Bei „eisendefizitärer Erythropoese“ ist die Bereitstellung von Eisen für erythroide Vorläuferzellen eingeschränkt, unabhängig vom Füllungszustand der Speicher. Es besteht ein Zustand der Eisen-Sequestration. Das gilt vor allem für die „Anämie bei chronischer Erkrankung“, wie sie im Rahmen von Autoimmunleiden, Krebs („Tumoranämie“), Infektionen („Infektanämie“) und chronischen Nierenerkrankungen vorkommt. Häufig ist aber auch die Kombination von Eisenmangel und „Anämie bei chronischer Erkrankung“; sie wird bei älteren Patienten sowie bei Nephropathien beobachtet. Ein beträchtlicher Teil der Anämien von Senioren geht allerdings weder mit Eisenmangel noch mit erhöhten Hepcidin- Werten einher. Von funktionellem Eisenmangel spricht man, wenn zu wenig Eisen für die Erythropoese zur Verfügung steht, weil es unzureichend aus den Eisenspeichern mobilisiert wird, während gleichzeitig ein erhöhter Bedarf besteht. Dies kommt insbesondere bei einer Behandlung mit Erythropoese- stimulierenden Medikamenten vor. Die Autorin konzentriert sich in ihrem Review auf pathophysiologische und therapeutische Aspekte bei erwachsenen Patienten. Regelmechanismen Hepcidin ist ein Peptidhormon, das hauptsächlich in der Leber synthetisiert wird. Es übt die Funktion eines Akutphasen-Reaktants aus. Seine Expression steigt mit hohen zirkulierenden und gewebegebundenen Eisenspiegeln und bei Patienten mit systemischer Entzündung oder Infektion. Seine Produktion wird gehemmt durch gesteigerte Erythropoese, Eisenmangel und Gewebe- Hypoxie. Das Hormon beeinflusst den Eisenspiegel, indem es sich an Ferroportin bindet und dieses abbaut; Ferroportin transportiert Eisen aus Zellen heraus. Ein Hepcidin-Anstieg wird durch entzündliche Zytokine wie Interleukin-6 induziert; dies erklärt die Eisen-Sequestration und die eisendefizitäre Erythropoese bei „Anämie bei chronischer Erkrankung“. Die Hepcidin-Spiegel sind niedrig bei Mädchen und jungen Frauen; bei postmenopausalen Frauen und Männern sind sie höher. Die Fluktuationen des Hormons korrelieren positiv mit den Ferritin-Werten. Bei Eisenmangel ist die Transkription von Hepcidin supprimiert. Dieser Regelmechanismus begünstigt die Resorption von Eisen und die Freisetzung aus Speichern. Ursachen In unterentwickelten Ländern sind Armut, Mangelernährung und Hunger eine offensichtliche Ursache von Eisenmangel und Anämie, vor allem bei Kindern und Schwangeren. Eine Ernährung überwiegend mit Getreide vermindert die Bioverfügbarkeit von Eisen. Weitere Ursachen sind Infektionen mit Hakenwürmern und Schistosomiasis. In westlichen Ländern können strikt vegetarische oder vegane Ernährung, Malabsorption und chronischer Blutverlust durch schwere Menstruationsblutungen verantwortlich sein. Auch häufiges Blutspenden kann schuld sein. Chronischer gastrointestinaler Blutverlust kommt, besonders bei älteren Patienten, u. a. infolge von gutartigen Tumoren, Angiodysplasie oder Krebs vor. Bei seltenen Formen von intravasaler Hämolyse geht Eisen mit dem Urin verloren (z. B. bei paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie). Ausdauersportler können durch Hämolyse, Blutverluste oder Entzündung anämisch werden. Zu Blutverlust können NSAR und Antikoagulanzien beitragen. Protonenpumpenhemmer sind eine oft nicht beachtete Ursache von verminderter Eisen-Resorption. Bei Niereninsuffizienz im Spätstadium resultiert eine Eisenmangelanämie aus Blutverlust bei der Hämodialyse, verminderter Hepcidin-Clearance, Entzündung und bestimmten Medikamenten. Bei Stauungs-Herzinsuffizienz wurde über eine hohe Prävalenz von Eisenmangel berichtet, wahrscheinlich infolge verminderter Resorption und eines entzündlichen Status. Eine Eisenmangelanämie wird als therapierefraktär bezeichnet, wenn das Hämoglobin nach vier bis sechs Wochen oraler Eisen-Gabe nicht um wenigstens 1 g/dl ansteigt. Meist steckt eine gas trointestinale Störung dahinter (zunehmend auch bariatrische Chirurgie). Eine seltene Ursache ist eine autosomal-rezessive Erkrankung, die eisenrefraktäre Eisenmangelanämie (IRIDA). Sie basiert auf einer Mutation, die zur konstitutionellen Überproduktion von Hepcidin führt, dadurch wird die Eisen-Resorption blockiert. Diagnose Das Serum-Ferritin ist der sensitivste und spezifischste Test, der einen Eisenmangel belegt (wenn unter 30 μg/l). Eine Transferrin-Sättigung unter 16% spricht für eine Eisenversorgung, die für die normale Erythropoese nicht ausreicht. Die Diagnose eines Eisenmangels im Zusammen hang mit einer Entzündung ist problematisch. Hier werden höhere Ferritin-Werte als Cut-off genommen (unter 100 μg/l), ebenso bei Herzinsuffizienz (unter 300 μg/l). Für Hepcidin gibt es noch keinen praktikablen Test. Therapie Im Prinzip sollten Patienten mit Eisenmangel - anämie eine Eisen-Supplementierung erhalten. Allerdings kann man in den Tropen damit den protektiven Effekt des Eisenmangels gegen Malaria- Parasiten aufheben. Ob Eisen-Gabe vor der Entwicklung einer Anämie nützt, wird kontrovers diskutiert. Kleinere Studien sprechen dafür, dass parenterales Eisen eine Fatigue von Frauen ohne Anämie, aber mit Eisenmangel bessert. Wenn eine schwere Eisenmangelanämie kardiovaskuläre Symptome hervorruft, sollten Erythrozyten transfundiert werden. In der Regel appliziert man Eisen oral. Meist handelt es sich dabei um Eisen-Sulfat, aber auch Gluconat und Fumarat sind wirksam. Erwachsene nehmen 100 bis 200 mg elementares Eisen. Zusätzliches Vitamin C soll die Resorption verbessern. In verschiedenen Situationen muss Eisen par - enteral zugeführt werden. Neuere Formulierungen sind besser verträglich als das frühere hochmolekulare Dextran-Eisen. Auf jeden Fall sollte man langsam und unter Beobachtung infundieren; Wiederbelebungs-Möglichkeiten sollten bereitstehen. WE

Quelle:

Camaschella C: Iron-deficiency anemia. N Engl J Med 2015; 372: 1832-43

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