92. DGN-Kongress, 25. bis 21. Nov. 2019 in Stuttgart

Neuro-Depesche 11-12/2019

Personalisierte Medizin im Mittelpunkt

Der 92. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Stuttgart, der unter dem Motto „Personalisierte Neurologie“ stand, wurde von mehr als 6.500 Neurologen besucht. Neben seltenen Erkrankungen wie der Huntington-Krankheit waren Kernthemen u .a. Schlaganfall, Multiple Sklerose, Epilepsie, Morbus Parkinson, die Alzheimer-Krankheit und Kopfschmerzen. Es ging um neue Erkenntnisse, Studienresultate und den State of the Art.
Hier einige Statements führender Neurolog(inn)en, u. a. von der DGN-Fachpressekonferenz.
 
Stammzelltherapie bei MS
Die kurativ ausgerichtete autologe Stammzell-Transplantation wird immer noch als Ultima Ratio eingesetzt, berichtete PD Dr. Harald Prüß, Charité Berlin. Dabei belegen neuere Studien eine hohe Wirksamkeit bei zunehmend besserer Verträglichkeit: So zeigte eine randomisierte Studie nach fünf Jahren eine Progressionsrate von nur 9,7 %, unter der medikamentösen Therapie allein aber von 75,3 %. Schübe waren seltener, die Behinderung hatte abgenommen und Lebensqualität war besser. Bei einem Toxizitätsgrad von maximal 3 ereigneten sich keine lebensbedrohlichen Ereignisse und kein Patient starb. Prüß sieht angesichts der mittlerweile relativ geringen Komplikationsrate ein hohes Potenzial und plädiert für einen häufigeren Einsatz (in erfahrenen Zentren) .
 
Kausale Therapien bei Parkinson?
Wie Norbert Brüggemann, Lübeck, vortrug, werden derzeit mehrere Substanzen mit kausalen Therapieansätzen bei Bewegungsstörungen geprüft. Beim Morbus Parkinson wird die pathologische a-Synuclein- Aggregation z. B. durch das Leukämie- Medikament Nilotinib (Degradations- Erhöhung) und Antikörper zur (Reduktion von extrazellulärem a-Syn.) in je zwei Phase-II-Studien geprüft.
 
Grüntee-Bestandteil gegen MSA?
Das in Grüntee enthaltene Epigallocatechingallat (EGCG) verhindert in Zellkulturen die a-Syn.-Aggregation, berichtete Prof. Günter Höglinger, Hannover. In der PROMESA- Studie erhielten nun 92 Patienten mit Multisystematrophie (MSA) über 48 Wochen oral hochdosiertes EGCG (800 - 1.200 mg/d) oder aber Placebo. Leider zeigte die klinische Bewertung anhand der „Unified MSA Rating Scale“ (UMSARS-ME) nach knapp zwölf Monaten keine signifikanten Unterschiede zugunsten des Verums. Immerhin fiel die Atrophie im MSA-relevanten Striatum unter EGCG geringer aus. „Einzelne Fälle von Lebertoxizität zeigten aber, dass EGCG in höheren Dosierungen zur Behandlung der MSA nicht empfohlen werden kann“, betonte Höglinger. Es sind weitere Medikamente mit diesem Wirkmechanismus in Entwicklung, „die hoffentlich bessere Verträglichkeit und Wirksamkeit erzielen“.
 
ASO bei Huntington
„Das Verständnis der komplexen Entstehungsmechanismen der verschiedenen Erkrankungen hat zu Therapieansätzen geführt, die nicht mehr an den Symptomen, sondern an den ursächlichen molekularen Abläufen ansetzen“, sagte Prof. Thomas Gasser, Tübingen. „Konkret sind dies bestimmte Stellen des zellulären DNA-Ableseprozesses bzw. der Genexpression, also der Bildung des jeweils fehlerhaften Proteins oder die Beeinflussung der dadurch gestörten Stoffwechselprozesse.“ So wurden einer randomisierten Phase-I/IIa-Doppelblindstudie bei 34 mit dem spezifischen Anti-Sense-Oligonukleotid (ASO) HTTRx behandelten Patienten (vier Dosen intrathekal in 16 Wochen) die Menge der Htt-Proteinaggregate im Liquor dosisabhängig um bis zu 42% reduziert (während sie bei der Kontrollgruppe um 10 % anstieg). Klinische Wirkungen wurden noch nicht beobachtet, aber immerhin hatte die ASOTherapie keine schwerent Nebenwirkungen.
 
Aggressive Hirntumoren
Eine vielversprechende individualisierte Therapie beim Glioblastom stellt d ie p ersonalisierte Tumorimpfung dar, berichtete Prof. Ghazaleh Tabatabai, Tübingen. In der Phase- I-Studie GAPVAC-101 erhielten 15 Patienten hochindividualisierte Impfstoffe. APVAC1 rief eine anhaltende Immunantwort bei „CD8+ T-Zellen“ hervor und APVAC2 induzierte eine T-Helferzell-Antwort („CD4+ T-Zellen“) gegen die Neoantigene. Das Sicherheitsprofil war günstig. Das Neue ist, dass jeder Patient einen speziell für ihn angefertigten Impfstoff erhält.
Eine durch Künstliche Intelligenz (AI) unterstützte PET-Diagnostik hat sich bei Glioblastomen WHOI/II der konventionellen Diagnostik als überlegen erwiesen, berichtete Tabatabai weiter. Die Area under the Curve (AUC) betrug 93% vs. 81%. Am besten gelang die Abgrenzung gegenüber Oligodendrogliomen
 
MS-Prognose durch AI?
Ebenfalls digital ausgerichtet: Eine Forschungsförderung der DMSG erhält Prof. Kerstin Ritter, Berlin, für ihr Projekt „Deep- MS: Deep Learning for monitoring disease progression in multiple sclerosis (MS)”. Anhand von „Deep Learning“-Computeralgorithmen sollen MRT-Datensätze ausgewertet werden, nicht nur zum Monitoring, sondern auch, um den Krankheitsverlauf beim einzelnen Patienten zu prädizieren.
ICD-Codes: I64 , G20

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