Schmerztherapie

Naturmedizin 6/2020

Diagnostik als Therapie

Wie wichtig relativierende Informationen für Ärztinnen/Ärzte und Patientinnen/ Patienten sind, zeigte nun eine US-amerikanische Studie: Die informierten Patienten benötigten weniger Opioide.
Die Studie untersuchte im Kontext der vom Hausarzt veranlassten spinalen Bildgebung, welche Auswirkungen die Einbeziehung solcher „Benchmarkdaten“ zur Prävalenz typischer radiologischer Zufallsbefunde in den Befundbericht auf die Versorgung der Patienten hat. 238.886 Teilnehmer (44,2 % älter als 60 Jahre, 57,5 % Frauen) wurden in zwei Gruppen randomisiert: Für die Patienten der Kontrollgruppe wurden „herkömmliche“ radiologische Befundberichte erstellt; in der Interventionsgruppe beinhalteten die Befundberichte zusätzlich Hinweise zur Prävalenz solcher Abnutzungserscheinungen und altersbedingten Wirbelsäulenanomalien bei gleichaltrigen Menschen ohne Rückenbeschwerden. Untersucht wurde, ob sich die Arztbesuche und die Therapie zwischen den beiden Gruppen unterschieden, also ob das Wissen darüber, dass die „Anomalie“ gewissermaßen normal ist, die Krankheitswahrnehmung der Betroffenen beeinflusste. Als primärer Endpunkt wurde die Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung erhoben, gemessen“ als RVUs („spine-related relative value units“) über 365 Tage. Sekundär wurden die Verschreibungen opioidhaltiger Schmerzmittel durch Ärzte der Primärversorgung analysiert.
In der Interventionsgruppe war insgesamt kein Rückgang der Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung zu verzeichnen. Ein Unterschied zeigte sich allerdings im sekundären Endpunkt: Bei Patienten der Interventionsgruppe waren weniger opiathaltige Schmerzmittel rezeptiert worden als in der Kontrollgruppe; der Unterschied war zwar insgesamt nicht groß, aber doch statistisch signifikant. Betrachtete man nur die Patienten, die vor der bildgebenden Untersuchung keine Opioide benötigt hatten, war der Gruppenunterschied deutlich größer: Im Zeitraum von 12 Monaten wurden 25 % der Patienten, denen die Bildgebung erklärt und die Befunde relativiert worden waren, Opioide verschrieben, in der Kontrollgruppe erhielten 75 % Opioide – also dreimal so viele.
„Schmerztherapeutisch ist das gut nachvollziehbar“, erklärt Professor Hans-Christoph Diener, Essen, Pressesprecher der DGN. „Patienten, die wissen, dass eine bestimmte in der Bildgebung sichtbare Abnutzungserscheinung allgemein häufig ist und nicht in einem kausalen Zusammenhang mit dem Schmerz steht oder gar gefährlich ist, sind entspannter. Daher ist die Patientenedukation bereits eine wesentliche Säule der multimodalen Therapie bei Patienten mit chronischen Schmerzen. Denn Wissen hilft gegen Schmerzen.“
Quelle: Jarvik JG et al.: The effect of including benchmark ... 2020. JAMA Network Open 2020; 3 (9): e2015713 doi:10.1001/jamanetworkopen.2020.15713 (idw – Pressemitteilung, Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V., Dr. Bettina Albers)

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