NATUR+PHARMAZIE 10/2000

Weshalb Ihre Kunden zu ALDI & Co. laufen - und wie Sie sie zurückholen

Pressemitteilungen zufolge finden etwa 90 Prozent des Selbstmedikationsmarktes in der Apotheke statt. Doch Vorsicht, diese optimistischen Meldungen beziehen sich auf den Umsatz in DM. Beim Betrachten des Absatzes in Packungseinheiten zeigt sich, dass jede zweite Packung außerhalb der Apotheke verkauft wird und das mit deutlich steigender Tendenz. Und: Jede Kaufentscheidung, die nicht in der Apotheke fällt, führt zu schmerzhaften Umsatzverlusten - eine Situation, die Sie als Apotheker zum umgehenden Handeln zwingt.

Wo liegen die Ursachen für die zunehmenden Arzneimittelkäufe außerhalb der Apotheke? Eine kürzlich durchgeführte Umfrage bei Käufern von Johanniskraut-Präparaten brachte erschreckende, aber eindeutige Ergebnisse: Der Kunde vermisst in der Apotheke die Diskretion! Er will nicht in Gegenwart neugieriger Dritter über sein Leiden sprechen - dies gilt besonders, wenn der Patient sein Leiden als peinlich betrachtet. Die Johanniskraut-Indikation "Depression" ist ein gutes Beispiel: Depressive Menschen haben Angst, in unserer leistungsorientierten Gesellschaft als "nicht belastbar oder gar geisteskrank" abgestempelt zu werden. Sie ziehen sich zurück, anstatt in der Apotheke Hilfe zu suchen. Der psychisch Angeschlagene legt sein Johanniskraut-Präparat lieber unauffällig und anonym in den Einkaufswagen, als sich in der Apotheke als "krank" zu outen. Beim Verheimlichen seiner depressiven Verstimmungen kommt ihm das Anwendungsgebiet des Supermarkt-Johanniskrautes auch noch entgegen. "Traditionell angewendet zur Besserung des Befindens bei nervlicher Überlastung ..." klingt weniger besorgniserregend als der Indikationsanspruch eines apothekenpflichtigen Präparates. Die bei vielen Supermarkt-Präparaten fehlenden Informationen zu Wechselwirkungen und Gegenanzeigen stimmen den Käufer ebenfalls positiv - er kauft ja nur ein "harmloses" Naturprodukt. Der Kunde überschätzt das Preis-Leistungs-Verhältnis im Supermarkt! Für den "informierten" Laien sind im Super- oder Drogeriemarkt gekaufte Arzneimittel clevere Schnäppchen. Schließlich hat er gelernt, dass sich hinter No Name-Produkten hochwertige Markenartikel verbergen können. Die für die Selbstbedienung notwendigen Kenntnisse holt sich der "clevere" Schnäppchenjäger aus Fernsehen und Yellow Press und verdrängt dabei, dass Medien ihre Attraktivität notfalls mit unseriösen Berichten erzielen. Johanniskraut-Großpackungen kosten im Selbstbedienungsmarkt deutlich weniger als zehn Mark. Doch der Lockvogel-Preis täuscht: Solche Johanniskraut-Präparate sind häufig mit Dosierungsempfehlungen versehen, die weit unter den Forderungen der amtlichen Monographie liegen. Außerdem können sie die verschiedensten Extrakte der Pflanze, das Johanniskrautöl oder die gepulverte Droge enthalten. Die Zubereitungen sind nicht miteinander vergleichbar und Prä-parate aus Johanniskrautöl sind laut Monographie gar nicht für die Behandlung von depressiven Verstimmungen geeignet. Außerdem kann wohl kaum eines der nicht-apothekenpflichtigen Johanniskraut-Präparate mit einer geprüften Wirksamkeit aufwarten. Denn: Arzneimittel mit klinisch geprüfter Wirksamkeit gibt es in der Apotheke. Und ein wirksames Präparat ist sein Geld wert und es kann nicht zum Schnäppchenpreis angeboten werden. Diese Botschaft muss in der Apotheke gelebt und kommuniziert werden. Nur so wird auch der kritischste Kunde begreifen, dass die Apotheke das ehrlichste Preis-Leistungs-Verhältnis bietet. Dafür ist eine intensive Kundenberatung erforderlich, die unter den ungeduldigen und neugierigen Augen wartender Kundschaft kaum möglich ist. Auch hier wird deutlich, wie wichtig ein separater Bereich für ungestörte Gespräche ist. Die Johanniskraut-Studie zeigt: Mehr Diskretion und Beratung holen Ihre Kunden in die Apotheke zurück. Eine Voraussetzung haben Sie bereits: den abgetrennten Beratungsbereich. Machen Sie ihn zum integralen Apothekenbestandteil. Hier einige Tipps - Nicht nur für den Verkauf von Johanniskraut-Präparaten: A Die persönliche Zuwendung im "Unter-vier-Augen-Gesprächen" mit Ihren Kunden sollte selbstverständlich und nicht die Ausnahme sein. A Beschränken Sie diese Gespräche nicht auf Kunden mit "peinlichen" Erkrankungen, auch die Mutti, die nur einen Hustensaft für ihr Kleines braucht, freut sich über die Zuwendung - und das private Gespräch ist nicht mehr stigmatisierend, wenn es mal mit einem Kunden doch einmal Heikles zu besprechen gibt. A Vereinbaren Sie mit schwierigen Kunden Gesprächstermine außerhalb von Stoßzeiten. A Schaffen Sie in Ihrer Beratungsecke eine diskrete und entspannte Atmosphäre. A Legen Sie dort Informationsmaterialien zu "Tabu"-Themen aus. A Geben Sie das Signal "Nichts Menschliches ist mir fremd". Was für Sie zum Alltagsgeschäft gehört, ist für viele Kunden eine peinliche Angelegenheit. A Entschuldigen Sie sich nie für den Preis. Klären Sie Ihre Kunden über die Qualität und den damit verbundenen Nutzen des gekauften Arzneimittels auf. Wie Sie die gewünschte Diskretion, effektive Beratung und Verkaufserfolg miteinander in Einklang bringen, lesen Sie in den nächsten Ausgaben der Apotheken-Depesche.

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