Antibiotika

Naturmedizin 2/2020

Wer nimmt am meisten?

Städter nehmen mehr Antibiotika als Menschen auf dem Land; Kinder und Senioren greifen häufiger zu ihnen als Personen mittleren Alters; mit steigender Bildung sinkt die Antibiotika-Nutzung, allerdings nur in reichen Ländern: Das sind drei der auffälligeren Trends, die Forscher des NRW Forschungskollegs One Health and Urban Transformation an der Universität Bonn in einer aktuellen Studie identifiziert haben.
Die meisten Antibiotika werden von Patienten genommen, deren Erkrankung keinen Klinikaufenthalt erfordert. In Deutschland machen diese Fälle rund 85 % aller Antibiotikaverschreibungen aus; EU-weit liegt die Quote sogar noch etwas höher. Die Wissenschaftler aus NRW wollten wissen, welche Faktoren die Einnahme von Antibiotika im ambulanten Gesundheitssektor fördern. Denn weitgehend unstrittig ist, dass insgesamt zu viele Antibiotika verabreicht werden; dies fördert die Bildung von Resistenzen. Fast 600 Variablen haben Dennis Schmiege und seine Kollegen ausgewertet und zu rund 45 Gruppen zusammengefasst. Für jede der Gruppen ist in der Übersichtsarbeit aufgeführt, ob sie nach aktueller Studienlage als wesentliche Einflussfaktoren zu werten sind. Relativ gut belegt ist demnach, dass Kinder und Senioren häufiger Antibiotika schlucken als Menschen mittleren Alters. Ein höherer Bildungsstand wirkt dagegen eher bremsend. Bei den geographischen Parametern sticht unter anderem die Diskrepanz zwischen Stadt und Land ins Auge: Einige der Veröffentlichungen zeigen, dass die Antibiotika-Nutzung in urbanen Gebieten höher ist. „Wir vermuten, dass das etwas mit dem besseren Zugang zu Arztpraxen und Apotheken zu tun hat“, erläutert Dennis Schmiege. Tatsächlich scheint die Ärztedichte ebenfalls zu den treibenden Faktoren zu zählen. Höhere Medikamentenpreise reduzieren die verkauften Antibiotikamengen. Die Bürger „maskuliner“ Gesellschaften, die als eher wettbewerbsorientiert gelten, nehmen im Schnitt mehr Antibiotika. Ähnlich sieht es in Gesellschaften aus, die klassischerweise eher darauf bedacht sind, Ungewissheiten zu meiden. „Insgesamt sehen wir in diesem Bereich aber noch deutlichen Forschungsbedarf“, betont Dennis Schmiege.
Quelle: Schmiege D. et al.: What drives antibiotic use in the community? A systematic review of determinants in the human outpatient sector. 2020 International Journal of Hygiene and Environmental Health

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