Gesundheitliche Auswirkungen des Fastens

Naturmedizin 4/2020

Von der Behandlung der Fettleibigkeit zur Verlängerung der gesunden Lebensspanne

Das Interesse am intermittierenden und langfristigen Fasten sowie damit zusammenhängenden Ernährungsstrategien ist groß. Die Fastenärztin Françoise Wilhelmi de Toledo von der Buchinger Wilhelmi Klinik in Überlingen und Franziska Grundler von der Charité-Universitätsmedizin Berlin haben als Hauptautoren im Juni 2020 eine Übersichtsarbeit zu den Auswirkungen der wichtigsten Fastenformen veröffentlicht.

Der Review untersucht an Tiermodellen und Menschen, wie die Anwendung verschiedener Arten der Fastenstrategien, z.B. intermittierendes Fasten, periodisches Fasten oder langfristiges Fasten, Teil eines neuen medizinischen Ansatzes sein könnte.
Beim Thema Ernährung wird neben der Größe und Zusammensetzung der Mahlzeiten zunehmend auch die Zeit und die Häufigkeit der Mahlzeiten beachtet und diskutiert. Die Autoren untersuchen die Auswirkungen von wichtigen Fastenformen, die ein Umschalten des Stoffwechsels von Glukose zu Fett und Ketonen bewirken (G-zu-K-Schalter). Dieser „Stoffwechselswitch“ beginnt 12 bis 16 Stunden nach Beendigung oder aber starker Verringerung der Nahrungsaufnahme. Während des Fastens lösen die Deaktivierung von mTOR-regulierten Nährstoffsignalwegen und die Aktivierung der AMP-Proteinkinase die Zellreparatur aus und hemmen anabole Prozesse. Laut den Autoren haben klinische und tierexperimentelle Studien eindeutig gezeigt, dass die Modulation der Häufigkeit von Mahlzeiten sowie die Anwendung von Fastenmustern wie dem intermittierendem Fasten, dem periodischem Fasten oder dem langfristigem Fasten Teil eines neuen vielversprechenden Lebensstilansatzes sind. Dieser führe zu einer längeren Lebens- und Gesundheitsspanne, einer verbesserten intrinsischen Abwehr gegen oxidativen und metabolischen Stress, einer verbesserten Kognition sowie einer Verringerung des kardiovaskulären Risikos sowohl bei fettleibigen als auch bei nicht fettleibigen Patienten.

Stoffwechselmechanismen

Die Autoren geben eine Übersicht der Stoffwechselmechanismen die 12 bis 16 Stunden nach Unterbrechung der Nahrungsaufnahme einsetzen: der Glukosespiegel sinkt, gefolgt von einer Abnahme sowohl des Insulinspiegels als auch der Zirkulation von Aminosäuren. Der Beginn dieses Stoffwechsel-Switchs hängt vom Glykogengehalt der Leber zu Beginn des Fastens ab, sowie der Zusammensetzung der vorhergehenden Mahlzeiten, dem Energieverbrauch und der körperlichen Aktivität. Lipide in Adipozyten (Triacylglycerol und Diacylglycerol) werden zu freien Fettsäuren metabolisiert, deren Spiegel im Nüchternblut ansteigen. Diese freien Fettsäuren werden teilweise oxidiert, in Geweben wie Muskeln, Nieren und Herz, und teilweise in der Leber in Ketone (b-Hydroxybutyrat, Acetoacetat und Aceton) umgewandelt. Ketone sind nicht nur Energielieferanten, sondern haben auch Signaleffekte und regulieren Ausdruck und Aktivität von Transkriptionsfaktoren, u.a.: Peroxisom-Proliferator-aktivierter Rezeptor γ Coaktivator 1α, Sirtuine, Poly(ADP-Ribose)-Polymerase 1 und ADP-Ribosylcyclase sowie Fibroblasten-Wachstumsfaktor 21 und Nicotinamidadenindinukleotid. Ein Anstieg von dem aus dem Gehirn stammenden Wachstumsfaktor brain-derived-neurotrophic factor im Zentralen Nervensystem kann die Gesundheit des Gehirns verbessern. Ketone werden vom „nüchternen Gehirn“ effektiv oxidiert. Es widerstrebt ihm mehr als anderen Geweben, auf Glukose zu verzichten und freie Fettsäuren zu verstoffwechseln. Die Verwendung von freien Fettsäuren und Ketonen als Energiequellen reduziert den Respiratorischen Quotienten im Vergleich zum nicht-nüchternen Zustand. Das verringerte ATP / AMP-Verhältnis aktiviert die AMP-aktivierte Proteinkinase  und erzeugt einen milden oxidativen Eustress, der zur Aktivierung von antioxidativen und zytoprotektiven Enzymen führt. Bei längeren Fastenzeiten wurde gezeigt, dass die Ketose beim Fasten nach 4 Tagen ein Plateau erreicht. Dies ist ein Effekt, der mehrere Stunden oder Tage anhalten kann, und sich wieder verringert, wenn wieder Nahrung aufgenommen wird.

Schlüsselergebnisse

  • Biochemische Veränderungen während des Fastens sind durch einen Wechsel von Glukose zu Ketonen gekennzeichnet, der zu einem Anstieg der Ketone führt, die vorteilhafterweise für die Gehirnenergie verwendet werden, was zu einer verbesserten Kognition führt.
  • Ketone reduzieren den Appetit und helfen, ein effektives Fasten aufrechtzuerhalten.
  • Die Anwendung von Fastenmustern verlängert die Lebensspanne und die Abwehr gegen oxidativen und metabolischen Stress.
  • Langzeitfasten mit einer Dauer zwischen 5 und 21 Tagen kann im Laufe eines Jahres erfolgreich wiederholt werden.
Quelle:

Wilhelmi de Toledo F et al.: : Unravelling the health effects of fasting: a long road from obesity treatment to healthy life span increase and improved cognition. 2020. Annals of Medicine, 52:5, 147-161,

doi: 10.1080/07853890.2020.1770849

 

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