Herz-Kreislauf-Risiko

Praxis-Depesche 9/2018

Traditionelle Risikofaktoren weiter Standard

Kardiovaskuläre Erkrankungen stellen nach wie vor die häufigste Todesursache in der US-Bevölkerung dar. Die Erkrankungswahrscheinlichkeit wird üblicherweise anhand der klassischen Risikofaktoren berechnet. Die US Preventive Services Task Force (USPSTF) prüfte nun, ob sich die Risikoeinschätzung durch Hinzunahme weiterer Parameter präzisieren lässt.

Zur Abschätzung des kardiovaskulären Risikos einer Person stehen verschiedene klinische Scores zur Verfügung, die die traditionellen kardiovaskulären Risikofaktoren Alter, Geschlecht, Raucherstatus, Cholesterinspiegel, Diabetes mellitus, Blutdruck abfragen. So berechnet der „Framingham Risk Score“ das Zehnjahres-Risiko für koronare Herzkrankheit (KHK), der „Pooled Cohort Equations“-Score das Zehnjahres-Risiko für Myokardinfarkt und Tod aufgrund KHK oder Schlaganfall. An der Höhe dieser Scores werden üblicherweise Therapieentscheidungen festgemacht.
 
Knöchel-Arm-Index, hsCRP und koronarer Kalzium-Score
 
Die US Preventive Services Task Force untersuchte nun, ob die Aussagekraft der gängigen kardiovaskulären Risikomodelle durch die Hinzunahme weiterer Parameter erhöht werden kann. Geprüft wurden drei Faktoren, die einfach zu bestimmen sind und unabhängige kardiovaskuläre Risikofaktoren darstellen: der Knöchel-Arm-Index, die Konzentration des hochsensitiven C-reaktiven Proteins (hsCRP) sowie der koronare Kalzium-Score, der den Kalzium-Gehalt der Koronararterien abbildet. Das American College of Cardiology (ACC) und die American Heart Association (AHA) empfehlen bereits, bei Patienten mit grenzwertiger oder unklarer Risikoeinstufung gemäß traditioneller Risikofaktoren, die genannten Parameter zu bestimmen und ihr Ergebnis in Therapieentscheidungen einfließen zu lassen.
Die USPSTF kam zu dem Ergebnis, dass die Berücksichtigung der drei nicht-traditionellen Risikoparameter die diskriminative und klassifizierende Leistung der etablierten Scores leicht verbessert, die klinische Relevanz dieser Veränderung jedoch weitgehend unklar ist. Ferner ist aus ihrer Sicht noch nicht abschätzbar, ob bei der additiven Verwendung der drei Parameter mit einer Abnahme der Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse bzw. der kardiovaskulären Mortalität gerechnet werden kann. Denn die Verwendung der zusätzlichen Parameter könnte auch potenziell schaden: Während der Knöchel-Arm-Index und das hsCRP nicht bzw. gering invasiv gemessen werden können, ist zur Bestimmung des koronaren Kalzium-Scores eine Elektronenstrahl- oder Computertomografie notwendig, die mit einer Strahlenbelastung einhergeht. Ferner besteht die Gefahr, dass bei der Thoraxbildgebung Zufallsbefunde, beispielsweise pulmonale Rundherde, entdeckt werden, die weitere invasive Interventionen nach sich ziehen. Nicht zuletzt sei die psychische Belastung der Betroffenen infolge falsch-positiver Befunde oder einer Heraufstufung ihres Herz-Kreislauf-Risikos zu berücksichtigen.
 
Nutzen oder Schaden?
 
Eine Aussage zum Nutzen-Schaden-Verhältnis der Ausweitung der etablierten Herz-Kreislauf-Risikoscores um die Parameter Knöchel-Arm-Index, hsCRP und koronarer Kalzium-Score mit dem Ziel, das kardiovaskuläre Risiko asymptomatischer Erwachsener unter präventiven Gesichtspunkten zu erfassen, so das Fazit der Experten, ist angesichts der unzureichenden wissenschaftlichen Evidenz zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich. Für den klinischen Alltag empfiehlt die USPSTF, zur Abschätzung des kardiovaskulären Risikos den Pooled Cohort Equations Score heranzuziehen. Weitere prospektive Studien seien notwendig, um den Nutzen der Ausweitung der kardiovaskulären Risikofaktoren auf das klinische Outcome der Patienten – kardiovaskuläre Ereignisse und die Sterblichkeit – genauer zu beleuchten. LO
Quelle:

US Preventive Services Task Force: Risk assessment for cardiovascular disease with nontraditional risk factors: US Preventive Services Task Force recommendation statement. JAMA 2018; 320(3): 272-80

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