Sensoren, nicht nur aber auch für die Psyche

Praxis-Depesche 1/2019

Technik und Typ-1-Diabetiker – so eine Sache ...

Moderne Insuline und Glucosemanagement-Systeme können das Hypoglykämierisiko von Typ-1-Diabetikern erheblich senken. Die Technik hat aber ihre Grenzen, ebenso wie die Fähigkeiten, Adhärenz und Motivation mancher Patienten.

Kommentar

Um schwer einzustellende Patienten mit häufigen Hypoglykämien optimal unterstützen zu können, empfehlen die Autoren mit einer umfassenden Schulung zur Insulineinstellung zu beginnen und den Patienten dann Schritt für Schritt mit den entsprechenden Technologien aufzurüsten. Bleiben alle genannten Maßnahmen erfolglos, kann über eine Inselzell- oder Pankreastransplantation nachgedacht werden.

Besonders schwierig ist die Einstellung eines Typ-1-Diabetes bei Patienten mit gestörter Hypoglykämie-Wahrnehmung (impaired hypoglycemia awareness, IHA). Diese Patienten haben ein drei- bis sechsmal höheres Risiko für schwere Hypoglykämien,und selbst Diabetiker ohne IHA erleiden jährlich 1,3 Episoden.
 
Insuline, Pumpen und Sensoren
 
Mithilfe der modernen schnell und kurz wirkenden Mahlzeiteninsuline sowie Basalinsuline mit geringer Tagesvariabilität konnte das Risiko schwerer Hypoglykämien Studien zufolge auch bei Patienten mit IHA gesenkt werden. Gegenüber dem mehrfachen manuellen Spritzen brachte die pumpengesteuerte kontinuierliche Insulingabe (CSII) einen weiteren Fortschritt, wobei ein Hypoglykämie-reduzierender Effekt bisher vorwiegend in Beobachtungsstudien nachgewiesen werden konnte. In der bisher größten und längsten Vergleichsstudie reduzierten beide Verabreichungsstrategien das Auftreten schwerer Hypoglykämien um die Hälfte, was aber vermutlich an der Aufklärung und Anleitung der Teilnehmer lag.
Eine weitere Verbesserung in der Hypoglykämierate erzielte zumindest in einigen Studien das kontinuierliche Glucosemonitoring (CGM), das den Nutzer per Alarm warnt, wenn die Glucosewerte unter ein bestimmtes Niveau sinken und eine Insulingabe nötig ist. Auch bei dieser Innovation ist eine sorgfältige Aufklärung und Schulung des Patienten das A und O. Sensor-unterstützte Pumpen (sensor-augmented pumps, SAP) bildeten den nächsten Entwicklungsschritt. Basierend auf den Glucosewerten wird von diesen Systemen automatisch die adäquate Insulindosis abgegeben. So lassen sich vor allem nächtliche Hypoglykämien reduzieren (um 38 % in einer Studie). Wichtig ist, dass die moderne Software zum Diabetes-Management bei der Berechnung der nötigen Insulindosis auch eventuelle Restspiegel kürzlich erfolgter Gaben berücksichtigt. Denn der Effekt von in kurzen Abständen verabreichten schnell-wirkenden Mahlzeiteninsulinen kann sich manchmal teilweise überlappen und so akkumulieren.
An die technischen Systeme gekoppelten Smartphone-Apps können helfen, die Glucosekontrolle noch ein Stück weiter zu verbessern. Allerdings sind viele Programme nicht geprüft, weshalb bei der Auswahl Vorsicht geboten ist. Am meisten profitieren von diesen innovativen Neuerungen Patienten mit IHA, aber nur solange sie die entsprechenden Geräte auch tragen bzw. die verfügbaren Apps aktiv nutzen.
 
Problematische Patienten
 
So groß die Fortschritte im technologisch unterstützten Diabetes-Management sind – sie funktionieren immer nur so gut, wie es der Patient zulässt. Denn seinen Glucosespiegel ständig im Blick zu behalten und entsprechend darauf zu reagieren, erfordert viel Motivation. Auch das regelmäßige Austauschen und Kalibrieren des Glucosesensors sollte nicht vergessen werden. Die hohe Bedeutung von Schulungsprogrammen kann in diesem Zusammenhang nicht genug unterstrichen werden. Sie sind für eine Reduktion schwerer Hypoglykämien mindestens genauso wichtig wie die Technik an sich. Eine Schulung kann außerdem eine Sache erreichen, zu der moderne Technik nicht in der Lage ist: Im Idealfall lernt der Patient in entsprechenden Schulungsprogrammen, die körpereigene Wahrnehmung von Hypoglykämien wieder zu verbessern.
 
Nach wie vor gibt es viele Therapiebarrieren
 
Laut Umfragen lehnen viele Patienten die technische Diabetes-Unterstützung deswegen ab, weil sie sich durch die Geräte konstant an ihre Erkrankung erinnert fühlen, diese beim Sport stören, und ihre Anbringung bzw. das Tragen am Körper als schmerzhaft, unangenehm oder peinlich empfunden wird.
Eine weitere häufige Therapiebarriere sind die von den CGM-Systemen abgesetzten Alarme, die auf Dauer von vielen Anwendern als lästig empfunden werden – vor allem nachts. Und selbst, wenn sich der Nutzer an die nächtlichen Alarme gewöhnt, ist es oft der Partner, dessen Schlaf dadurch gestört wird. Misstrauen gegenüber der Technik kann ebenfalls ein Problem darstellen. So gewöhnen sich manche Patienten mit SAP-Systemen an, bei einem abgesetzten Hypoglykämie-Alarm trotz automatisch verabreichter Insulindosis „sicherheitshalber“ zusätzliche Kohlenhydrate zu essen und provozieren damit eine Hyperglykämie. OH
Quelle:

Choudhary P, Amiel SA: Hypoglycaemia in type 1 diabetes: technological treatments, their limitations and the place ... Diabetologia 2018; 61: 761-9

Alle im Rahmen dieses Internet-Angebots veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen und Zweitveröffentlichungen, vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Verlinkung oder Weiterverbreitung in jedem Medium als Ganzes oder in Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

x