Ernährung

Naturmedizin 2/2020

STELL DIR VOR: ALLE WERDEN SATT, UND MUTTER ERDE GEHT ES GUT

Knapp die Hälfte der heutigen Nahrungsmittelproduktion ist schädlich für unseren Planeten. Ökosysteme und biologische Vielfalt werden gestört, die Wasserknappheit verschärft sich. Und die Weltbevölkerung wächst weiter unaufhaltsam. Kann das gut gehen?
Lösungsvorschläge müssen her. Wie kann man zehn Milliarden Menschen ernähren, ohne die Belastungsgrenzen der Erde zu sprengen? Unter der Leitung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) wurde nun eine Studie durchgeführt, die sich der Beantwortung dieser Frage widmete.
 
Kehrtwende
Die Antwort: Einfache Antworten gibt es nicht. Eine angemessene und gesunde Ernährung für jeden Menschen bei weitgehend intakter Biosphäre erfordert nicht weniger als eine technologische und soziokulturelle Kehrtwende. Dazu gehören etwa die konsequente Umsetzung ressourcenschonender landwirtschaftlicher Methoden, die Reduzierung von Lebensmittelverlusten und schließlich Änderungen im Speiseplan. Die Veröffentlichung der Studie trifft mit dem Beginn des Weltwirtschaftsforums in Davos und mit der Grünen Woche in Berlin zusammen. „Wenn man sich den Zustand des Planeten Erde und den Einfluss der aktuellen globalen Landwirtschaftspraxis auf ihn ansieht, gibt es viel Grund zur Sorge – aber auch Grund zur Hoffnung, sofern wir sehr bald entschlossenes Handeln sehen“, sagt Dieter Gerten, Leitautor vom PIK und Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin. „Derzeit geschieht fast die Hälfte der weltweiten Nahrungsmittelproduktion auf Kosten der planetaren Belastungsgrenzen der Erde. Wir widmen zu viel Land der Tierhaltung und den Nutzpflanzen, düngen zu stark und bewässern übermäßig. Um dieses Problem angesichts einer noch immer wachsenden Weltbevölkerung zu lösen, müssen wir miteinander überdenken, wie wir Lebensmittel produzieren. Die gute Nachricht ist, dass solche Transformationen es ermöglichen, ausreichend Nahrung für bis zu zehn Milliarden Menschen bereitzustellen – das zeigt unsere Forschung.“
 
Theorie und Praxis
Das ermutigende Ergebnis ist, dass theoretisch zehn Milliarden Menschen ernährt werden können, ohne das Erdsystem zu gefährden. Das führt zu sehr interessanten Schlussfolgerungen, wie Johan Rockström, Direktor des PIK, betont: „Wir stellen fest, dass die Landwirtschaft in vielen Regionen derzeit zu viel Wasser, Land oder Dünger verbraucht. Die Produktion in diesen Regionen sollte daher mit ökologischer Nachhaltigkeit in Einklang gebracht werden. In der Tat gibt es enorme Möglichkeiten, die landwirtschaftliche Produktion in diesen und anderen Regionen auf nachhaltige Weise zu steigern. Das gilt zum Beispiel für weite Teile Subsahara-Afrikas, wo ein effizienteres Wasser- und Nährstoffmanagement die Erträge stark verbessern könnte.“ Auch die Konsumentenseite ist nicht zu vergessen. Weitreichende Ernährungsumstellungen scheinen unumgänglich zu sein, um das Ernährungssystem wirklich nachhaltig zu machen. Beispielsweise müssten angesichts des steigenden Fleischkonsums in China Teile der tierischen Proteine durch mehr Hülsenfrüchte und anderes Gemüse ersetzt werden.
Die vielleicht sensibelste und herausforderndste Konsequenz der Studie betrifft die Landnutzung. „Alles, was mit dem Land zu tun hat, ist in der Praxis mitunter komplex und umstritten, weil die Lebensgrundlagen und Perspektiven der Menschen davon abhängen“, sagt Koautor Wolfgang Lucht. Es bestehe nur eine Chance auf Änderung, wenn die Menschen Vorteile für sich erkennen könnten.

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