Naturmedizin heute

Naturmedizin 4/2020

PPI oder pflanzliche Alternativen?

Wenn es um die Notwendigkeit der Anwendung von Protonenpumpenhemmern geht, gehen die Meinungen oftmals weit auseinander. Für die einen sind sie ein unverzichtbarer Magenschutz im Rahmen der medikamentösen Therapie, für die anderen werden sie viel zu häufig und zu lange verordnet.
Kommentar
In der Phytotherapie stehen einige wirksame Alternativen zu PPI zur Verfügung. Die Entscheidung zur Umstellung muss aber sorgfältig und individuell geprüft werden.
Da Protonenpumpeninhibitoren (PPI) unter anderem die Resorption von Calcium, Magnesium und Vitamin B12 beeinträchtigen, geht mit ihrer Einnahme langfristig ein erhöhtes Risiko für Frakturen einher. Das ist vor allem für Senioren ungünstig, bei denen unter dem Einfluss der Arzneistoffe zudem ein erhöhtes Sturzrisiko beobachtet wurde. Weiterhin wird die Dauereinnahme mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt, Nieren- und Leberschäden sowie einer höheren Sterblichkeit in Verbindung gebracht. (1-8)
Außerdem wollen viele Anwender sie gar nicht mehr absetzen, weil sie im Anschluss an eine längere Einnahme mitunter mehrfach unter einem Säure-Rebound gelitten haben. Andere müssen wiederum die Dosierung immer wieder steigern, weil sie ihre Beschwerden durch eine Standarddosis nicht unterdrücken können. In all diesen Fällen stellt sich immer wieder die Frage nach effektiven pflanzlichen Alternativen oder Ergänzungen zu PPI.
 
Wechselwirkungen vermeiden
Bei der phytotherapeutischen Beratung von Patienten, die Protonenpumpenhemmer einnehmen, sollte man allerdings beachten, dass Johanniskraut (Hyperici herba), Ginkgo (Ginkgo folium) oder Süßholz (Glyzyrrhizae radix) als Induktoren des Cytochrom-P-Enzymsystems deren Wirkung beeinträchtigen können. Umgekehrt können Gelbwurz (Curcumae longa rhizoma), Hanf (Cannabis sativa) oder Katzenbart (Orthosiphonis folium) durch Hemmung der Enzyme den Abbau der Wirkstoffe verzögern. Ferner regen aromatische Kräuter oder Ingwer (Zingiberis rhizoma) die Säurebildung an und können so das Behandlungsziel unterlaufen. Werden Dexlansoprazol oder Lansoprazol mit Arzneidrogen mit einem hohen Gehalt an Mineralstoffen kombiniert, kann ihre Resorption beeinträchtigt werden. (3, 9-11)
 
Süße Hilfe aus der Gemmotherapie
Das Gemmoextrakt der Feige (Ficus carica), ein aus den Knospen der Pflanze hergestelltes Mazerat, reguliert die Säurebildung im Magen. Es wirkt ferner beruhigend auf das autonome Nervensystem. Die enthaltenen Polysaccharide schützen Ösophagus und Magenschleimhaut vor der schädigenden Wirkung der Säure. Das Feigenmazerat ist vor allem für Menschen geeignet, die an einer Überproduktion der Magensäure, einer hypoziden chronischen Gastritis oder stressbedingtem Sodbrennen leiden. Auch Patienten mit gastrointestinalem Reflux nach schweren fettreichen Mahlzeiten, scharf gewürzten Speisen oder dem Verzehr von größeren Mengen Süßigkeiten können von der Einnahme des Gemmoextrakts profitieren. (12, 13)
Zudem können all diejenigen, denen es zuvor nicht gelungen ist, ihren Protonenpumpenhemmer auszuschleichen, dies mit Unterstützung dieses Feigenauszugs schaffen. Parallel zur Reduktion der Dosierung des Arzneistoffs beginnen sie mit der niedrig dosierten Einnahme der Zubereitung und steigern diese bei Bedarf, wenn im Rahmen des Absetzens ihres Präparats säurebedingte Beschwerden auftreten. Anschließend beginnen sie ganz langsam, die Dosierung der flüssigen Zubereitungen der Knospen zu senken. Sobald Beschwerden auftreten, können sie vorübergehend zu der letzten Dosis zurückkehren und dann nach einigen Tagen einen weiteren Versuch unternehmen, diese wieder zu reduzieren.
 
Pflanzliche Polysaccharide
Leinsamen (Lini semen) können die Schleimhaut von Ösophagus, Magen und Duodenum aufgrund ihres hohen Gehalts an Schleimstoffen vor dem Einfluss der Säure schützen. Sie sind daher sowohl bei Gastritis als auch bei gastrooösophagealem Reflux geeignet. Allerdings besteht das Risiko, dass Medikamente durch die Schleimstoffe schlechter resorbiert werden. Deshalb sollten Leinsamen sicherheitshalber erst zwei Stunden nach der Einnahme von Medikamenten zum Einsatz kommen. Sie können sowohl die Wirkung der Protonenpumpenhemmer ergänzen, als auch Patienten empfohlen werden, die gelegentlich an säurebedingten Beschwerden leiden und frei verkäufliche Säureblocker erwerben wollen. (3, 14, 15) Idealerweise werden zwei Esslöffel Leinsamen in 600 ml Wasser mindestens zwei Stunden kalt eingeweicht, bevor sie kurz aufgekocht und dann abgeseiht werden. Das Filtrat kann in einer Thermoskanne aufbewahrt und über den Tag verteilt getrunken werden. Vielfach lassen die säurebedingten Schmerzen bereits innerhalb eines Tages nach. (14, 15)
Manchmal reichen Schleimstoffe alleine jedoch nicht aus. Dann können die Patienten mit Gastritis oder Ulcus ventriculi et duodeni zusätzlich zu Kamillenblüten (Chamomillae flos) greifen und eine Rollkur machen. Hierfür bereiten die Betroffenen frühstens zwei Stunden nach einer Mahlzeit aus zwei Esslöffel Kamillenblüten eine Tasse Tee zu, den sie abgedeckt etwa fünf Minuten ziehen lassen. Sobald der Tee ausreichend abgekühlt ist, können sie 20 Tropfen einer Kamillentinktur zugeben und diesen trinken. Anschließend legen sie sich jeweils fünf bis zehn Minuten auf den Rücken, eine Seite, auf den Bauch und dann auf die andere Seite. Kamillenblüten können mit Leinsamen kombiniert werden, wenn ihre entzündungshemmende Wirkung durch den schleimhautprotektiven Effekt des Leinsamens ergänzt werden soll. Alternativ kann eine Teemischung aus 40 g Süßholz, 30 g Kamillenblüten und 30 g Pfefferminzblättern (Menthae folium) hergestellt werden, sofern kein Interaktionspotenzial aufgrund einer Medikamenteneinnahme besteht. (14, 15)
Im Falle einer chronischen, hypoaziden Gastritis hat sich dagegen ein Kalmustee bewährt. Er kann mit Kamillenblüten oder Melissenblättern (Melissae folium) sowie Fenchelsamen (Foeniculi semen) und Pfefferminzblättern kombiniert werden und sollte dreimal täglich getrunken werden. (14)
 
Stress lass nach
Treten die Beschwerden vornehmlich zusammen mit psychoemotionalen Belastungen auf, brauchen die Betroffenen allerdings nicht nur Heilpflanzen, die die Symptome lindern, sondern auch solche, die die Ursache behandeln. Arzneikräuter haben zwar keine Auswirkungen auf den Alltag der Patienten, können diesen aber darin unterstützen, die Herausforderungen gelassener zu meistern. Hierzu können Baldrian (Valerianae radix), Hopfen (Lupuli flos), Eisenkraut (Verbenae herba), Lavendel (Lavandulae flos) oder Melisse einen effektiven Beitrag leisten.
Fazit: In der Phytotherapie stehen einige wirksame Alternativen zu Protonenpumpenhemmern zur Verfügung. Man sollte allerdings in jedem Einzelfall individuell prüfen, ob eine Umstellung sinnvoll ist.
Quelle: Sabine Ritter: Apothekerin, Heilpraktikerin und Medizinjournalistin. www.ritter-tcm.de Literatur bei der Autorin

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