Unterschiedliche Effekte von Bewegung

Naturmedizin 1/2020

Mikrobiom spielt eine wichtige Rolle bei Diabetes-Prävention

Zertifizierte Fortbildung
Spätestens, wenn ein Prädiabetes diagnostiziert wird, müssen Lebensstilveränderungen empfohlen werden. Mit mehr Bewegung lässt sich der Übergang zur manifesten Erkrankung verhindern oder verzögern, aber nicht bei jedem Betroffenen. Warum ist das so? Es kommt auf das individuelle Darmmikrobiom an, ob eine Bewegungstheraie präventiv wirkt – oder eben nicht.
Die Evidenzlage für präventive Effekte von Bewegungstherapie und Ernährungsumstellung bei Prädiabetes ist hervorragend. So empfehlen Ärztinnen und Ärzte ihren Patienten diese Maßnahmen und erzielen damit durchaus Erfolge. Jedoch, ein bestimmter Anteil der Betroffenen weist eine sogenannte Trainingsresistenz auf: Bei ihnen zeigt Sport keinerlei Wirkung oder fördert gar die Entwicklung von Diabetes. Negative Reaktionen auf Bewegungstherapie zeigen sich bei diesen Personen in Bezug auf die Insulinempfindlichkeit und Glucosehomöostase. Die Größenordnung dieser Nicht-Responder bewegt sich zwischen 7 und 69 %. Genetische Prädisposition und epigenetische Modifikationen erklären dieses Phänomen nicht abschließend. Standardisierte Trainingsprogramme sind aber eine kostengünstige Präventionsmaßnahme. Mit einer Untersuchung des Darmmikrobioms ließe sich also voraussagen, wie gut Prädiabetiker auf Bewegung ansprechen. Die Entwicklung personalisierter Therapieansätze könnte aus diesen Erkenntnissen folgen.
Wie die Blutglucosewerte auf Bewegung beziehungsweise Sport reagieren, ist individuell unterschiedlich. Diese hohe Variabilität ist mit dem Darmmikrobiom assoziiert, und zwar mit dessen Zusammensetzung sowie seiner Funktionalität.
Gianni Panagiotou vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie in Jena und seine Kollegen von der Universität Hongkong haben das Darmmikrobiom von Patienten, die positiv auf Sport ansprechen, mit dem von jenen verglichen, bei denen Bewegung keine Wirkung zeigt. Die Studiendaten zeigen einen klaren Zusammenhang zwischen Darmmikrobiom, Bewegung und Blutglucosewerten. So produziert das Darmmikrobiom von erfolgreich Therapierten mehr nützliche kurzkettige Fettsäuren, während bei denen, die nicht ansprachen, eher metabolisch schädliche Verbindungen auftreten. Die Ergebnisse wurden anhand des Darmmikrobioms von 39 Männern mit Prädiabetes gewonnen. In einem Kontrollexperiment wurde das Darmmikrobiom der unterschiedlich reagierenden Patienten aus dieser Probandengruppe auf fettleibige Mäuse übertragen. Allein das Mikrobiom derer, bei denen die Bewegungstherapie wirksam war, führte bei den Mäusen zu denselben positiven Auswirkungen.
Die Assoziation liegt auf der Hand, zeigen doch immer mehr Untersuchungen, dass eine Dysbiose der Darmmikrobiota eine wichtige Rolle bei der Pathogenese von Diabetes Typ 2 spielt. Zu den entscheidenden Pathomechanismen zählen eine erhöhte Darmschleimhautpermeabilität und die damit einhergehende Endotoxinämie, die Veränderungen der Produktion kurzkettiger Fettsäuren (short chain fatty acids, SCFA) und verzweigtkettigter Aminosäuren sowie Störungen des Gallensäurenstoffwechsels. In einer Studie von 2017 konnte gezeigt werden, dass Stuhltransplantationen von gesunden Spendern bei den Empfängern mit metabolischem Syndrom zu erhöhter mikrobieller Vielfalt, verbesserter glykämischer Kontrolle und einer Verbesserung der Insulinempfindlichkeit führten (Kootte et al., 2017). Vor kurzem wurde ein modulierender Effekt von Bewegung auf die Darmmikrobiota von sowohl Menschen als auch Tieren beobachtet. Das Mikrobiom von Profisportlern weist eine höhere Vielfalt und günstigere Bedingungen bezüglich der metabolischen Kapazität auf im Vergleich mit Menschen, die in ihrem Alltag vor allem viel sitzen (Barton et al., 2018; Clarke et al., 2014).


Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle: Liu Y et al.: Gut microbiome fermentation determines ... Cell Metab. 2019; pii: S1550- 4131(19)30608-4 / www.leibniz-hki.de

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