Im Gespräch

Naturmedizin 2/2019

Kopfsache gesund

Kann die Art des Denkens zur Gesundheit und Heilung Ihrer Patienten beitragen? Dr. med. Katharina Schmid meint ja. Sie ist von der Heilkraft der Gedanken überzeugt. Und nein, sie ist keine Esoterikerin, sondern habilitierte Privatdozentin, betreibt als Pathologin eine Praxis in Straubing. 2016 gründete sie „Happy & Healthy – Institut für Lebensfreude und Gesundheit“. Im Rahmen dessen bietet sie Gesundheitsberatungen an und hält Vorträge, die sich mit der Förderung von Gesundheit befassen. Frank Aschoff interviewte sie.

Sie zeigen in Ihrem Buch anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse, wie groß die Bedeutung der Gedanken und der daraus resultierenden inneren Einstellung für die Gesundheit ist. U. a. greifen Sie auf Hirnforschung, Epigenetik und Psychoneuroimmunologie zurück. Worum geht es bei der Anwendung von zielgerichteten, heilenden Gedanken?
Schon Aristoteles nannte sechs wichtige Schlüssel, die ein erfolgreiches, glückliches Leben ausmachen. Dies sind Sinnhaftigkeit des Lebens, persönliche Autonomie, persönliches Wachstum, die Kontrollierbarkeit der Umwelt, positive Beziehungen zu anderen und Selbstakzeptanz.
Statt uns selbst als Spielball des Schicksals zu empfinden und Gefühle von Ohnmacht und Hilflosigkeit zu erleben, ist es möglich, mithilfe der eigenen Gedankenkraft zu mehr Sinn und Lebensfreude zu finden. Das ist das Fundament, auf dem unsere Gesundheit steht.
 
Sie verwenden das zielgerichtete Denken als eine Technik, um Ihren Klienten zu helfen. Was verstehen Sie darunter?
Das ziel- und lösungsorientierte Denken ist die zentrale Technik auf dem Weg zu den sechs Schlüsseln des Aristoteles. Mithilfe zielgerichteten Denkens konzentriert man sich darauf, was man in seinem Leben will. Dieses Denken führt zu zielgerichteten Gedanken, die als Effekt der wiederholten Konzentration immer öfter von selbst auftauchen. Das Zusammenspiel von Neocortex und der älteren Gehirnareale im Stammhirn macht es möglich. Automatisch sehen wir dadurch mehr Sinn in unserem Leben, fühlen uns autonomer und selbstbestimmter. Diese Art von Gedanken führt längerfristig zu mehr positiven Gefühlen und zu Motivation anstelle von Resignation.
Wichtig ist es zu vermeiden, die Gedanken an das zu verschwenden, was man verhindern oder vermeiden will. Denn wenn man seine Probleme negativ formuliert, wird man selbst ins Negative gezogen. Wichtig zu wissen: Das Gehirn tut sich schwer mit der Verneinung. Ein Beispiel: Versuchen Sie mal, nicht an einen rosa Elefanten zu denken! Und schon arbeitet Ihr Gehirn auf Hochtouren, um das innere Bild des Elefanten wieder loszuwerden. 
Auch der Gedanke „Ich möchte nicht krank werden“ ist kontraproduktiv. Denn er ängstigt! Statt uns frohgemut unserer Gesundheit zu widmen, sind wir dann mit inneren Ängsten vor dem Kranksein beschäftigt.
 
Aber verdrängen ist doch auch nicht gut, oder?
Richtig. Das sogenannte positive Denken funktioniert für sich genommen nicht. Bezüglich aller negativen Dinge in Ihrem Leben rate ich: Denken Sie, als hätten Sie die Schwierigkeiten schon überwunden und als ob alles gut gegangen wäre. Dadurch vermeiden wir die Beschäftigung mit dem Negativen.
 
Wie funktioniert es konkret?
Indem wir uns in Gedanken konkrete Ziele stecken. Das tun wir mittels Zielbildern. Das Wort „Zielbild“ ist wörtlich zu nehmen: Ziel und Bild. Sie haben zu Ihrem Ziel ein konkretes Bild im Kopf. Dieses verknüpfen Sie mit einem intensiven Gefühl. Wie fühlt es sich an, wenn Sie das Ziel bereits erreicht haben?
Sie versetzen sich dadurch in Gedanken bereits ans Ziel. Wohlgemerkt nicht auf den Weg dorthin. Vielmehr tun Sie so, als wären alle Probleme auf dem Weg bereits überwunden. In Gedanken haben Sie erreicht, was Sie wollten.
Erfolgreiche Spitzensportler nutzen diese Form von Mentaltraining übrigens bereits seit Jahrzehnten. Da ist es durchaus naheliegend, dass dies auch für die Gesundheit funktioniert.
 
Aber entsteht da nicht auch etwas Stress, das Ziel jetzt unbedingt erreichen zu wollen?
Wählen Sie zunächst kleine Zielbilder zum Üben. Sie versprechen schnelleren Erfolg, der Sie motiviert weiterzumachen. Die dabei entstehende innere Spannung wird dann als anregend empfunden. Sie können sich aber jederzeit bewusst entscheiden, doch lieber mit der Realität in Ihrem Leben zufrieden zu sein. Dann verschwindet jede Form von Stress.
 
Wie kann so ein Zielbild aussehen?
Damit Zielbilder eines Tages Realität werden können, gilt es zu beachten: Die Gedanken dazu sollen präzise, positiv und im Präsens, also in der Gegenwart, formuliert und mit positiven Emotionen verbunden sein.
 
Das heißt, man könnte die Methode anwenden um zum Beispiel Lebensstiländerungen zu erreichen?
Ja. Ein Beispiel: Ich möchte mehr für meine Fitness tun und nehme mir vor, dreimal die Woche für 30 Minuten joggen zu gehen. Das Ziel, in der Gegenwart formuliert: Ich jogge und bin fit. Das Bild: Ich jogge vergnügt im Park bei herrlichem Sonnenschein.
Ich genieße die frische Luft, spüre meinen Atem und höre das Vogelgezwitscher. Ich empfehle, bis zu drei verschiedene Bilder zu kreieren. Denken Sie daran, wie Sie sich Ihre Laufschuhe anziehen und voller Vorfreude auf das Jogging sind.
Oder wie Sie sich zu Hause abduschen und Ihr angenehmes Körpergefühl genießen. Daraufhin speichert das Gehirn die Szenen als wichtige Erfahrung im Gedächtnis ab.
Denn es unterscheidet nicht zwischen Realität und Vorstellung. Für unser Gehirn hat Bedeutung, was besonders gefühlsintensiv erlebt wird. Unbewusst glauben wir dann, diese Situation schon erfolgreich erlebt zu haben. Das wiederum motiviert und hilft uns, in der Realität das Gewünschte tatsächlich zu erreichen.
 
Das heißt aber auch bei Erkrankungen, im Zielbild nicht an die Erkrankung zu denken, oder?
Nein, denken Sie stattdessen an Ihre gesunden Phasen. Und formulieren Sie zugleich klar und präzise, was Sie möchten.
 
Herzlichen Dank für das Gespräch! Das Gespräch führte Frank Aschoff.
Quelle:

Interviewpartnerin

Priv.-Doz. Dr. med. univ. Katharina Schmid, geboren 1969 in Wien, studierte an der Medizinischen Universität Wien und promovierte 1997. Danach schloss sie eine Facharztausbildung zur Pathologin ab. Seit 2009 ist sie selbstständige Ärztin in Straubing, Bayern. 2011 habilitierte sie zur Privatdozentin im Rahmen einer langjährigen Lehr-und Forschungstätigkeit.

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