Beginnt Morbus Parkinson im Blinddarm?

Neuro-Depesche 3/2019

Geringeres Risiko nach Appendektomie

Die Pathogenese der Parkinson-Krankheit (PD) beinhaltet die Anhäufung von aggregiertem a-Synuclein, von der vermutet wird, dass sie im Gastrointestinaltrakt beginnt – möglicherweise begünstigt durch (bes. in ländlichen Gegenden eingesetzte) Pestizide. U. a. ist die Obstipation oft ein PD-Frühsymptom. Nun gibt es Hinweise, dass gerade der Blinddarm bei der PD-Entstehung eine Rolle spielen könnte.

Kommentar

Patienten mit Appendektomie weisen gegenüber der Bevölkerung ein signifikant niedrigeres Parkinson-Risiko auf. Die Autoren formulieren die Hypothese, dass der gesunde menschliche Blinddarm pathogene Formen von a-Synu-clein enthält, die das Risiko der Entwicklung einer PD erhöhen. Durch Biopsien gewonnen, könnten sie möglicherweise einen frühen Biomarker darstellen. Eine Parkinson-prophlyaktische Appendektomie wird selbstverständlich nicht empfohlen.

In zwei epidemiologischen Datensätzen von > 1,69 Mio. bis zu 52 Jahre nachbeobachteten Menschen (> 91 Mio. Personenjahre, PJ) wurde untersucht, wie eine Appendektomie das PD-Risiko beeinflusst.
Die Inzidenz einer PD war in der Appendektomie- Gruppe mit 1,60 signifikant niedriger als bei den Kontrollen ohne Blinddarmentfernung mit 1,98 pro 100.000 PJ. Dies stellt für die Appendektomierten eine Risikoreduktion für die Entwicklung einer PD gegenüber der Bevölkerung um 19,3 % dar (p < 0,0001). Dabei ist die Risikoverringerung durch die Appendektomie in ländlichen Regionen größer als in der urbanen Bevölkerung: Die Inzidenzraten pro 100.000 PJ der Appendektomierten lag auf dem Land bei 1,49 vs. 2,00 (-25,4 %; p < 0,0001) und in der Stadt bei 1,77 vs. 1,97 (ca. -10 %; nicht signifikant: p = 0,22)
Die kumulative Prävalenz einer PD war bei den Personen mit Appendektomie im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ebenfalls niedriger: So wurde eine PD bei 1,17 vs. 1,4 von 1.000 Menschen diagnostiziert. Dies entspricht einer hochsignifikanten Risikoreduktion um 16,9 % (p < 0,0001).
Schließlich erkrankten Menschen mit einer (vor 20 oder mehr Jahren erfolgten) Appendektomie deutlich später: Das Alter bei PD-Diagnose war durchschnittlich 1,6 Jahre niedriger als bei den Patienten ohne Appendektomie (p < 0,03). Dies war auch für eine 30 oder mehr Jahre zurückliegende Blinddarmentfernung der Fall (p < 0,006), jedoch war die Fallzahl für weitere Analysen zu gering. JL
Quelle:

Killinger BA et al.: The vermiform appendix impacts the risk of developing Parkinson‘s disease. Sci Transl Med 2018 [Epub 31. Okt.; doi: 10.1126/scitranslmed.aar5280]

ICD-Codes: G20

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