Lebensqualität bei MS-Patienten und -Patientinnen

Neuro-Depesche 11-12/2019

Fatigue und Depression sind entscheidend

Die gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL) ist bei MSErkrankten deutlich geringer als in der Bevölkerung. Spielen dafür eher körperliche Beeinträchtigungen oder psychische Faktoren eine Rolle? Die bisherige Studienlage ist nicht eindeutig. Jetzt widmeten sich Budapester Neurologen dem Thema – und fanden einige relevante Unterschiede zwischen den Geschlechtern.
Kommentar
Fatigue und Depression haben offenbar einen deutlich stärkeren Einfluss auf die HRQoL von MS-Patienten als körperliche Behinderungen – und beeinträchtigen Männer und Frauen in unterschiedlichem Maß. Diese Befunde sprechen dafür, Depression, Fatigue, Kognition und andere psychopathologische Aspekte regelmäßig zu untersuchen, auch bei den jüngeren MSPatienten. Zudem sollte den Patienten eine komplexere, stärker personalisierte und geschlechtsangepasste Betreuung geboten werden.
322 ambulant behandelte Patienten mit schubförmiger MS (220 Frauen; 68,4 %) wurden eingeschlossen. Im Durchschnitt waren sie knapp 43 Jahre alt, seit 12,5 Jahren erkrankt und wiesen einen EDSS-Score von 1,95 auf. Alle machten Angaben anhand der Fatigue Impact Scale (FIS), des Beck Depression Inventory II (BDI-II) und der MS-spezifischen Lebensqualitätsfragebögen MSQoL-54. Ihre kognitiven Beeinträchtigungen wurden mit dem Brief International Cognitive Assessment for MS (BICAMS) erfasst.
Unter einer relevanten depressiven Symptomatik (Grenzwert: ≥ 13 BDI-II-Punkte) litten 87 Patienten (27,0 %) und unter einer beeinträchtigenden Fatigue (≥ 40 FIS-Punkte) 168 (52,2 %). Nur in der Rate kognitiver Beeinträchtigungen ( n = 164; 50,9 %) fand sich im Geschlechtervergleich ein signifikanter Unterschied der Basis- Variablen (63,7 % der Männer, 45,0 % der Frauen; p <0,002).
Den größten Einfluss auf die Lebensqualität hatten Fatigue und depressive Symptome der Patienten, sowohl im HRQoL-Gesamtscore als auch in jeder der 14 Subskalen (darunter allgemeine, körperliche und emotionale Gesundheit, Sexualität, Schmerzen, Energie, soziale Funktionen). Dabei hatte den prominentesten Effekt die körperliche Fatigue, während sich soziale Fatigue nur in der physischen Gesundheit (Männer) bzw. in der sexuellen Funktion (Frauen) negativ auswirkte. Die kognitive Fatigue war in der Gesamtkohorte und bei den Männern in vielen MSQoL-54-Domänen kein signifikanter Prädiktor für eine schlechtere HRQoL, aber ein maßgeblicher Einflussfaktor auf alle Subskalen bei den Frauen.
In der Gesamtkohorte wirkten sich andere Faktoren meist nur geringfügig und nur auf wenige Teilskalen aus: Höheres Alter z. B. beeinflusste nur drei HRQoL-Domänen (sexuelle Funktion, Zufriedenheit mit der Sexualität und körperliche Gesundheit), höhere Bildung nur eine (soziale Funktion) und ein höherer EDSS-Score nur zwei Subskalen (körperliche Rollenbeschränkung bzw. körperliche Teilhabe). Krankheitsdauer und kognitive Beeinträchtigungen waren in der Gesamtkohorte für keine Subskala ein aussagekräftiger Prädiktor. Aber auch hier zeigten sich einige Geschlechterunterschiede: So beeinflussten diese speziellen Variablen bei den Männern neun, bei den Frauen aber nur zwei der 14 Subskalen. HL
Quelle: Biernacki T et al.: Contributing factors to health-related quality of life in multiple sclerosis. Brain Behav 2019: e01466 [Epub 11. Nov.; doi: 10.1002/brb3.1466]

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