fast leeer Teller zum Essen

Ernährungsmedizin Teil 2

Naturmedizin 6/2021

Essend fasten? Ein Selbstversuch

Nachdem er in der NMD 5_2021 die Fasting Mimicking Diet vorgestellt hat (S. 48 ff.), beschreibt der NMD-Redakteur Frank Aschoff in diesem 2. Teil unter anderem die Durchführung dieser Fastenvariante anhand eines kleinen Selbstversuchs. Er ist neben seinem Hauptberuf als Fachjournalist auch Fastenleiter und selbst erfahren im Fasten.
Nur ein Hype oder wissenschaftlich fundiert?
Bei PubMed erhält man mit dem Stichwort „fasting-mimicking diet“ insgesamt 73 Treffer (Stand 30.9.2021). Die unter „Results by Year“ angezeigte Grafik zeigt einen exponentiellen Anstieg. Der erste Treffer ist aus dem Jahr 2012, im Jahr 2020 waren es schon 27 Studien.
Die aktuellste Studie ist von August 2021 unter Mitwirkung von Valter D. Longo, der die Scheinfasten-Diät (SFD) als erster entwickelt und beschrieben hat. Sie untersucht Durchführbarkeit, Sicherheit und Effekte bei Krebspatient:innen begleitend zur konventionellen Therapie.
Untersucht wurden zur Scheinfasten- Diät aber neben den Effekten bei Krebs u.a. auch Effekte auf Gesundheit und Lebensspanne allgemein, Insulinresistenz, Gewichtsregulation, kardiovaskuläre Gesundheit, Diabetes, Multiple Sklerose und Depression.
 
Durchführung
Da in der vorigen Ausgabe schon beschrieben hier die SFD nur grob skizziert: Sie ist ein 5-Tage-Programm, bei dem täglich max. 600–1000 Kalorien in Form von fester Nahrung zugeführt werden – die Kalorienzahl schwankt je nach Autor.
Für das 5-tägige Programm kann man eines der Fertig-Produkte verwenden, die von mittlerweile von 2 verschiedenen Herstellern angeboten werden. Bei den Fertigprodukten handelt es sich um rein pflanzliche Instantnahrung, die von den Makro- und Mikronährstoffen und der Kalorienmenge her exakt vorbereitet worden ist. Oder aber, wenn man über ein solides Grundwissen über Ernährung verfügt, kann ich mir die Mahlzeiten für die SFD auch täglich frisch zubereiten.
 
Selbstversuch
Ich habe schon etliche Male eine Woche nach Dr. Buchinger und Dr. Lützner gefastet: eine Methode, bei der in geringen Mengen Saft und eine klare Gemüsebrühe erlaubt ist, insgesamt ca. 250–500 kcal täglich.
 
Entlastungstag
Die erste Frage ist: Wann bzw. an welchem Wochentag fange ich an? Viele Menschen bevorzugen den Freitag, zumal man dann in der Regel Samstag und Sonntag als arbeitsfreie Tage für den Glukose-Ketone-Switch hat. Nach allgemeiner und auch meiner Erfahrung ist es an diesen Tagen nämlich schon so, dass geistige Arbeit etwas schwerer fällt. Das Gleiche gilt mit Sicherheit auch für körperliche Arbeit. Mit meiner Frau habe ich den Zeitraum besprochen. Sie wird in der Zeit auch ein modifiziertes Fasten einhalten, was es natürlich leichter macht. So haben wir zusammen den Kühlschrank schon mal etwas geleert und etliche Produkte nicht nachgekauft.
Ca. 1.200 Kalorien werden für den Entlastungstag häufig empfohlen. Also sieht mein Ernährungsplan so aus: morgens wie immer etwas Mandelmilch in den Kaffee und 4 halbe Walnüsse, mittags wenig Gemüsecurry auf wenig Reis und abends etwas gedünstetes Gemüse. Ergebnis: Ich habe abends Hunger. Und dies auch schon mal vorweg: Verzicht bleibt Verzicht! Aber ich kann es inzwischen so sehen, wie der Fastenwissenschaftler Frank Madeo es mal ausdrückte (Kast o.J.): „Begrüße den Hunger wie einen Freund, dann wird dein Körper aufgeräumt.“ Am frühen Abend drehe ich eine 45-minütige lockere Runde mit dem Rad.
 
Tag 1
300 Gramm weniger auf der Waage. Viele betonen, dass das Abnehmen nicht die Hauptmotivation zum Fasten sein sollte. Aber Tatsache ist, dass es viele aus genau diesem Grund machen. Und wenn Übergewicht vorhanden ist und keine Essstörungen vorliegen, ist aus Sicht der Präventivmedizin dagegen auch nichts einzuwenden.
Mein Tag beginnt um 5.00 morgens mit einem Glas Wasser, dann ein frisch gemahlener Kaffee mit etwas Mandelmilch. Ich möchte die Kopfschmerzen vermeiden, die ein Kaffeeentzug mit sich bringt. Auch dies entspricht nicht den traditionellen „Fastenregeln“ und ist unter Expert:innen umstritten. Aber Experten wie Frank Madeo gehen inzwischen davon aus, dass Kaffee sogar die Autophagie stimuliert (Kast o.J.).
Aber ich verzichte vollständig auf Alkohol. Die appetitfördernde Wirkung von Bier und Wein ist hinlänglich bekannt, ganz zu schweigen von den Kalorien und den verschiedenen toxischen Wirkungen.
Nach diesem Minisnack arbeite ich etwas und mache um 8.00 Uhr einen 45-minütigen Spaziergang. Der Kreislauf kommt richtig in Schwung. Dann Duschen modifiziert nach Kneipp: warm, kalt, warm, kalt.
Das Petit Dejeuner, wörtlich das „kleine Fastenbrechen“ nach der Nacht, lege ich auf 9.00 Uhr, den Beginn meines Essenszeitfensters bis 17.00 Uhr. Die im Scheinfasten vorgesehenen 3 Mahlzeiten sind ja ungewohnt viel für mich. Aber 30 Gramm Müsli mit 50 ml Wasser sind nicht wirklich viel. Ich habe mir, um den Genuss zu erhöhen, eine schöne Porzellanschale genommen. Den Esslöffel habe ich direkt weggelegt und einen kleinen Löffel genommen. Vor mir liegen Haferflocken, etwas getrocknetes Obst in kleinen Stückchen, gemahlene Weizenkeime, insgesamt ca. 130 kcal.
Man braucht keine Anleitung zum achtsamen Essen: Automatisch nimmt man nur kleine Portionen auf den Löffel, schmeckt genau, kaut langsam und gründlich. Man weiß, dass es außer dieser Miniportion bis mittags nichts mehr gibt. Und die Mittagsportion wird auch nicht groß: ein kleines veganes Linsencurry mit 280 Kilokalorien.
Am Abend gibt es eine pürierte Karottensuppe (150 kcal). Später am Abend setzt ein „leeres Gefühl“ im Kopf ein. Offensichtlich sind die Zuckervorräte aufgebraucht und die Ketonproduktion ist noch nicht voll angelaufen. Ich trinke viel Wasser mit einem Schuss Zitrone und aufgebrühten frischen Ingwer.
 
Tag 2
Nun ist ein gutes Kilo runter. Mich freut und motiviert es. Ich weiß allerdings, dies ist nicht nur Fett, sondern vor allem Wasser, dass man durch den entwässernden Effekt verliert. Aber auch das ist ja positiv. Das Konzept der SFD ist es, über eine gewisse Zufuhr von komplexen Kohlenhydraten den Proteinabbau bestmöglich zu verhindern, aber andererseits von den Kalorien her nicht so hochzugehen, dass die Fasteneffekte wie Autophagie und Anfluten von Ketonkörpern verhindert werden. Es ist noch nicht ganz erforscht, ob der Körper, der sich vor allem zu Beginn des Fastens ja etwas an den Proteinen bedient, eher gesunde oder vor allem die defekten Proteine verstoffwechselt. Schön wäre es, wenn man rausfindet, dass der Körper im Sinne der Autophagie selektiv die defekten Proteine präferiert.
Tagsüber bin ich abgelenkt durch verschiedene Tätigkeiten wie Lesen, Spazierengehen – aber ich bin eindeutig nicht voll leistungsfähig. Im Kopf immer noch diese gewisse „Leere“. Teilweise ist der Blutdruck etwas niedrig, sodass mir beim Bücken etwas schwindlig wird.
 
Tag 3
Montag, jetzt wird es ernst: Ich will meiner Schreibtischarbeit nachgehen. Und siehe da: Das „leere Gefühl“ im Kopf ist weg. Anscheinend läuft die Ketonkörperproduktion so gut, dass das Gehirn mit der Energieversorgung zufrieden ist. Ich mache eine halbe Stunde Nordic-Walking, dusche frei nach Kneipp und setze mich an den Schreibtisch. Ich mache allerdings mehr Pausen als sonst: Ich stelle mir meinen Tomato-Timer auf Arbeitseinheiten von 25 Minuten und lege dann immer jeweils 5 Minuten Pause ein.
 
Tag 4
Ich steigere Länge und Geschwindigkeit meiner Nordic-Walking-Runde. Die 60 Minuten sind überhaupt kein Problem. Der Kreislauf ist in Schwung. Die Arbeit kann beginnen, aber auch an diesem Tag mit mehr und längeren Pausen als sonst. Aus meiner ganzen bisherigen Erfahrung und der anderer Menschen kann ich empfehlen, wenn man in einer Fastenwoche arbeiten will oder muss, das Pensum deutlich kleiner zu halten als sonst. Viel angenehmer ist es, sich in der Woche mal ganz um sich selbst kümmern zu können und die Zeit optimalerweise in einer Fastengruppe zu verbringen, in der man sich austauschen und gegenseitig bestärken kann.
Man spürt bei der geistigen Arbeit deutlich, dass das Gehirn ein Energie verbrauchendes Organ ist. Wobei es durchaus Menschen gibt, die in dieser Phase genauso viel Energie haben wie sonst. Hellmut Lützner geht davon aus, dass 2/3 der Energie zur Verfügung gestellt wird und durch die herabgesetzte Verdauungsarbeit 1/3 eingespart wird (Lützner 2013). Hier könnte ein Haken beim Scheinfasten liegen: Dadurch, dass man feste Nahrung zu sich nimmt, fällt auch Verdauungsarbeit an.
 
Tag 5
Ich absoviere das gleiche Programm wie am vierten Tag.
 
Fastenbrechen und Aufbau
Morgens wie gehabt und dann mittags eine Pellkartoffel mit einer Prise Salz. Ein Hochgenuss. Abends ein im Ofen gebackener Apfel. Vor dem Zubettgehen dann allerdings Hunger.
Den Aufbautag gestalte ich wie den Entlastungstag.
 
Diätphase nach dem Fasten
Lützner empfiehlt nach dem Fasten eine längere Zeit lang noch Diät zu halten. Ich wähle hierfür pflanzliche Kost und eine reduzierte Kalorienmenge, in meinem Fall steigere ich langsam von 1000 auf 1800 Kalorien.
 
Fazit
Meine Schlussfolgerungen aus den Erfahrungen:
• Angenehm bei der SFD ist, dass keine Notwendigkeit zum Abführen gegeben ist.
• An den ersten beiden Umstellungstagen muss mit Nebenwirkungen gerechnet werden, u.a. Schwächegefühl, Kältegefühl, niedriger Blutdruck, verminderte Leistungsfähigkeit.
• Wenn man allein und berufsbegleitend fastet, ist es wesentlich leichter als ein Fasten nach Buchinger/Lützner.
 

Hier geht es zu Teil 1: Essend fasten?

Quelle:

Kast B.: Gesundes Fasten: „Begrüße den Hunger wie einen Freund“. Interview mit Frank Madeo. (o.J.) Zugriff 30.8.21; unter: www.stern.de/ gesundheit/ernaehrung/fasten-experte-frankmadeo--- begruesse-den-hunger-wie-einenfreund-- 8588810.html

Lützner H.: Wie neugeboren durch Fasten. Gräfe und Unzer. 2013.

Überblicksartikel zum Fasten und modifiziertem Fasten in der NMD von Frank Aschoff

• Aschoff F.: Den Stoffwechsel umschalten. Naturmed-Depesche 1/2019.

• Aschoff F.: Rheumatoide Arthritis – Heilfasten als Weg. Naturmed-Depesche 3/2019.

• Aschoff F.: Zirkadianer Rhythmus und Ernährung. Naturmed-Depesche 5/2019.

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