Aus der Sicht von Prof. John Wilding, Liverpool, und Vicki Mooney, Vorstandsmitglied der European Coalitition for People living with Obesity der European Association for the Study of Obesity, Großbritannien, ist es längst Zeit, Adipositas offiziell als Diagnose in den Krankheitskatalog aufzunehmen. Von der WHO wird Übergewicht bereits seit 1936 als Erkrankung angesehen. Die beiden Experten erhoffen sich, durch diesen Schritt die Schuld vom Rücken der betroffenen Patienten zu nehmen, denn nach wie vor wird Adipositas fälschlicherweise häufig als selbstverschuldetes Übel angesehen. Dabei zeigt die Evidenz ganz klar, dass Körpergewicht, Fettverteilung und das Risiko für Adipositas-Komplikationen maßgeblich genetisch determiniert sind. Der rapide Anstieg in der Adipositas-Prävalenz in der heutigen Zeit ist dagegen hauptsächlich auf Veränderungen von Lebensmittelangebot und -preisen sowie auf körperliche und soziale Faktoren zurückzuführen. Die Schuld liegt also keineswegs beim Patienten allein.
Übergewicht als Erkrankung zu definieren, könnte helfen, das Stigma zu reduzieren und die Scheu mancher Patienten abzubauen, sich ärztliche Hilfe zu suchen. Auf diese Weise könnte man ihnen schneller und effektiver helfen, als es heute oft der Fall ist. Denn im Schnitt vergehen etwa sechs Jahre, bis ein übergewichtiger Patient das Thema beim Arzt anspricht. Aus Angst vor Diskriminierung versuchen es sehr viele Übergewichtige heute zunächst mit Trenddiäten oder nichtverschreibungspflichtigen Diätpräparaten.