Phytotherapie für Kinder kommt gut an

NATUR+PHARMAZIE 4/2001

Bei richtiger Dosierung überwiegen die Vorteile

Wenn es um Arzneimittel für erkrankte Säuglinge oder Kleinkinder geht, rückt neben Qualität und Wirksamkeit die Forderung nach Unbedenklichkeit mehr als sonst in den Vordergrund. Dieses Kriterium erfüllen oftmals pflanzliche Arzneizubereitungen besonders gut - gerade in den Augen besorgter Eltern.

Voraussetzung ist, dass die Mittel richtig ausgewählt und altersgemäß dosiert werden. Denn die Laienmeinung, wonach "pflanzlich" gleich unbedenklich ist, bedarf gelegentlich wohlmeinender Korrektur. Andererseits sind manche Phytotherapeutika aus formaljuristischen Gründen von der Anwendung bei Kindern ausgeschlossen, die aus fachlicher Sicht zu empfehlen sind. Für Phytopharmaka in der Kinderheilkunde spricht zuerst ein relativ gutes Nutzen-Risiko-Verhältnis. Naturstoffgruppen wie ätherische Öle, Bitterstoffe, Flavonoide, Gerbstoffe, Schleimstoffe u.a. besitzen experimentell und/oder klinisch nachgewiesene Wirksamkeit bei geringen oder zu vernachlässigenden Nebenwirkungen. Das Gleiche gilt für definierte Naturstoffe wie z.B. Chamazulen, Bisabolol und Menthol. Die Pharmakodynamik ist in vielen Fällen eher mild, was aber bei vielen Erkrankungen im Kindesalter therapeutisch adäquat ist. Voraussetzung ist die richtige Auswahl und Anwendung der Pflanzen und der daraus hergestellten Arzneiformen (vgl. Tabelle). Perorale flüssige Arzneiformen nehmen eine zentrale Stellung in der Pädiatrie ein. Manche Heilpflanzen ergeben quasi von selbst eine der besonders kinderfreundlichen Applikationsformen: - Teeaufguss (aus der losen Droge oder dem Filterbeutel), - Press-Saft, - Inhalationen, Badezusätze und Einreibungen (mit ätherischen Ölen). Press-Säfte aus der frischen Pflanze sind gegenüber den viel verwendeten Tinkturen und Säften alkoholfrei. Im Vergleich zu selbstbereiteten Tees bieten sie einen höheren und einheitlicheren Wirkstoffgehalt. Stößt der Press-Saft auf den geschmacklichen Widerstand des kleinen Patienten, empfiehlt sich die löffelweise Gabe von kaltem Saft oder ein Mischen mit intensiv schmeckendem Fruchtsaft oder Tee. Bei der Empfehlung arzneilich hochwertiger Fertigtees ist bei Kindern auf den Zuckergehalt zu achten. Sprühgetrocknete Pulvertees bieten einen höheren Wirkstoffgehalt als Granulate und kommen oft ohne zahnschädigende Kohlenhydrat-Träger aus. Einreiben und Baden zählen zu den besonders kindgemäßen Anwendungen. Die "Duftkomponente" ätherisches Öl ist bei Erkältungskrankheiten zugleich heilendes Prinzip, das sowohl eingeatmet als auch durch die Haut aufgenommen wird. Pharmakodynamisch wirken pflanzliche Wirkstoffe in der Regel bei Säuglingen genauso wie bei erwachsenen und alten Menschen. Altersabhängig ist aber zu differenzieren hinsichtlich Applikationsart, möglichen Anwendungsbeschränkungen, Nebenwirkungen und vor allem der Dosis. Solide pharmakokinetische Untersuchungen sind bei Phytopharmaka die Ausnahme. Das hat zu der paradoxen Situation geführt, dass über Generationen bewährte und sichere pflanzliche Zubereitungen moderne Zulassungskriterien nicht erfüllen, weil keine adäquaten Studien existieren. Baldrian-Press-Saft, auch wenn er alkohol-, valepotriat- und bal-drinalfrei ist, geben Hersteller oft erst für Kinder ab 12 Jahren frei. Bei Anthranoiddrogen ist die Anwendungsbeschränkung (über 12 Jahre) hingegen fachlich begründet und geht auf die Monographie zurück. Andere Beipackzettel führen keine Dosierungsangabe für Kleinkinder, manche nicht einmal für Kinder unter zwölf Jahren - auch bei gut erforschten Arzneipflanzen wie z.B. Thymian. Oder die "Dosierungsangabe" lautet lapidar "Kinder entsprechend weniger". Wo juristische Erwägungen über fachliche dominieren, entsteht beim Laien der Eindruck, das betreffende Arzneimittel sei für das Kind bedenklich oder gefährlich. Eine kompetente Beratung in der Apotheke sollte sachlich Nutzen und Risiko bewerten und eine individuelle Empfehlung geben. Nach Prof. Heinz Schilcher gilt bei fehlenden Dosierungsangaben folgende Faustregel: Klein- und Kleinstkinder erhalten ein Drittel der in den Monographien der Kommission E empfohlenen Erwachsenendosis, Schulkinder etwa die Hälfte, Jugendliche die ganze Dosis. In jedem Fall sollte bei Kindern in besonderem Maße auf Pharmakodynamik und unerwünschte Wirkungen geachtet werden. (RS)

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