Risiko für Zuckerkrankheit

Praxis-Depesche 11/2019

Alkohol hält gesund – oder?

Über Nutzen oder Schaden mäßigen Alkoholkonsums wird seit langem kontrovers diskutiert. Immer wieder wird von einem diabetesprotektiven Effekt berichtet. Die Zusammenhänge sind undurchsichtig und sollten intensiver durchleuchtet werden.
Dieser Aufgabe widmete sich eine Arbeitsgruppe aus Baltimore, Maryland. Sie führte eine prospektive Analyse mit 12.042 Teilnehmern eines umfangreicheren Projektes, der Studie ARIC (Atherosclerosis Risk in Communities) durch, die zu Beginn nicht an Diabetes litten. 55 % waren Frauen, 78 % Weiße, das mittlere Alter betrug 54 Jahre. Der Alkoholkonsum wurde zu Beginn der Studie (1987 bis 1989) und bei der vierten Visite (1996 bis 1998) festgehalten. Zusätzliche Variablen waren Geschlecht und Körpergewichtsstatus. Während des Follow- up traten 3.795 Fälle von neu diagnostiziertem Diabetes auf. Frauen, die acht bis 14 Drinks pro Woche konsumierten, wiesen ein vermindertes Diabetesrisiko auf (HR 0,75, signifikant), verglichen mit Teilnehmerinnen, die maximal einen Drink pro Woche zu sich nahmen. Bei den Männern war der Genuss von acht bis 14 Drinks mit einem grenzwertig signifikanten Diabetesrisiko verknüpft; bei höherem Konsum war der Effekt signifikant (HR 0,81).
Bei Frauen und Männern, die ihren Alkoholgebrauch fortsetzten, sank das Diabetesrisiko signifikant stärker, wenn sie mehr tranken. Die Assoziation wurde eindeutig durch den Body Mass Index (BMI) modifiziert. Bei Frauen war der inverse Zusammenhang nur dann ausgeprägt, wenn sie übergewichtig oder richtig adipös waren. Bei Männern verstärkte Adipositas den protektiven Effekt von Alkohol. Im Mittel blieb der Alkoholverbrauch über neun Jahre im Wesentlichen stabil. Wenn Männer mit einem Genuss von sieben oder mehr Drinks in der Woche zu Anfang der Studie später weniger tranken, nahm ihr Diabetesrisiko zu. Es wäre nützlich zu wissen, auf welche Weise die Alkoholaufnahme mit dem Diabetesrisiko zusammenhängt. Substanzielle Erkenntnisse dazu fehlen bisher.
Amerikanische Ernährungsrichtlinien (Version 2015 / 2020) legen nahe, den Konsum von Alkohol auf maximal einen bzw. zwei Drinks pro Tag (Frauen bzw. Männer) zu beschränken. Frühere Studien brachten zu dem Thema zum Teil deutlich abweichende Ergebnisse im Vergleich zu den jetzigen Daten. Nach einem Review von 20 Kohortenstudien war das niedrigste Diabetesrisiko mit einem Konsum von zwölf Drinks pro Woche bei Frauen und von elf bei Männern verbunden. Ein anderes Review (38 Kohortenstudien) ergab eine Risikoreduktion nur bei Frauen. Man weiß nicht, warum der BMI-Index die Risikomodifikation durch Alkohol beeinflusst. Es könnte sein, dass die durch Adipositas induzierte Insulinresistenz durch mäßiges Trinken abgeschwächt wird. Zu dieser Frage sind weitere Untersuchungen wünschenswert.
Frühere Studien ergaben auch eine Reduktion des kardiovaskulären Risikos durch Alkohol. Anscheinend hebt der Konsum das protektive HDL-Cholesterin an. Dieser Mechanismus könnte sich auch auf das Diabetesrisiko auswirken. WE
Quelle: He X et al.: Alcohol consumption and incident diabetes: The Atherosclerosis Risk in Communities (ARIC) study. Diabetologia 2019; 62: 770-778

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