Zunehmende Evidenz

Naturmedizin 6/2019

Akupunktur bei depressiven Störungen

„Jeder sechste gesetzlich Versicherte von depressiven Störungen betroffen“ – so titelte das Deutsche Ärzteblatt in seinem Newsletter vom 27.6.2019 (1). Die Daten stammen aus einer neuen Untersuchung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland im Rahmen des Versorgungsatlas.
Grundlage der Studie sind bundesweite vertragsärztliche Abrechnungsdaten für die Jahre 2009 bis 2017 von jährlich mehr als 60 Millionen Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Zwischen 2009 und 2017 haben ambulant tätige Ärzte und Psychotherapeuten in Deutschland deutlich häufiger depressive Störungen diagnostiziert und dokumentiert.
Die Diagnoseprävalenz in diesem Zeitraum stieg von 12,5 auf 15,7 %. Das entspricht einem Plus von 26 %. 2017 erhielt etwa jeder sechste gesetzlich Krankenversicherte mindestens eine Diagnose einer depressiven Störung (1).
 
Diagnose: Depression
Hauptsymptome depressiver Episoden sind nach der ICD-10 die depressive, gedrückte Stimmung, Interessenverlust und Freudlosigkeit, sowie die Verminderung des Antriebs mit erhöhter Ermüdbarkeit (oft selbst nach kleinen Anstrengungen) und Aktivitätseinschränkung. Anhand von Schweregrad und Zusatzsymptomen werden verschiedene Subtypen und unterschiedliche Schweregrade der Depression beschrieben, z. B. als depressive Episoden, rezidivierende depressive Episoden, anhaltende affektive Störungen (Dysthymie) sowie depressive Episoden im Rahmen eines bipolaren Verlaufs.
Die empfohlene Therapie beinhaltet vor allem die Psychotherapie und die Verschreibung von Antidepressiva, wobei bei Antidepressiva der Nutzen gegenüber Placebo in randomisiert kontrollierten Studien zwar vorhanden ist, aber der Unterschied zwischen Verum und Placebo in vielen Studien relativ gering.
 
Die Studienlage zur Akupunktur
Eine wichtige und zunehmend evidenzbasierte Therapie stellt die Akupunktur dar. Eine aktuelle Cochrane-Review „Acupuncture for Depression” (2) fasst das Ergebnis von 64 Studien mit 7.104 Patienten zusammen. Hierin wird deutlich, dass die Akupunktur sowohl gegenüber der Wartelisten-Kontrollgruppe als auch der „Usual- Care“-Gruppe überlegen ist. Es zeigt sich eine mittlere Effektstärke in Abhängigkeit der Schwere der Depression (SMD [95 %-CI] -0.66 [-1.06 bis -0.25]). Diese Daten beruhen auf fünf Studien mit 488 Teilnehmern.
Des Weiteren zeigte sich eine signifikante Überlegenheit gegenüber Scheinakupunktur in der Hamilton Depression Rating Scale. Bei 14 Studien mit 841 Teilnehmern ergibt sich eine mittlere Differenz von 1,69 Punkten [-3.33 bis -0.05].
Im Vergleich zur Medikation stellt die Meta- Analyse eine mögliche Überlegenheit der Akupunktur gegenüber einer Medikation dar in Abhängigkeit der Schwere der Depression mit einer geringen Effektstärke von -0.23 [-0.40 bis -0.05], basierend auf den Ergebnissen von 31 Studien und 3.127 Teilnehmern.
 
Sehr positiv sieht der Add-on-Effekt der Akupunktur zur antidepressiven Medikation aus, das bedeutet die zusätzliche Behandlung mit Akupunktur neben der Antidepressivagabe. Hier zeigt sich ein hoher Effekt auch in Abhängigkeit der Schwere der Depression mit einer SMD von -1.15 [-1.63 bis -0.66]. Zugrunde liegen elf Studien mit 755 Teilnehmern.
Zwei Studien vergleichen die Akupunktur mit der Psychotherapie bei insgesamt 497 Teilnehmern. Hier zeigt sich kein eindeutiges Ergebnis im Vergleich dieser beiden Therapien.
Aktuell ist eine Review einer ähnlichen Arbeitsgruppe erschienen (3), die die Ergebnisse bestätigt. Interessanterweise zeigt sich in dieser Untersuchung eine positive Korrelation mit der Anzahl der Behandlungen und dem Behandlungserfolg. Einschränkend muss jedoch gesagt werden, dass insbesondere die in China durchgeführten Studien sehr positive Ergebnisse zeigten. Dabei wurde jedoch auch über einen längeren Zeitraum mit Akupunktur behandelt. Die in den westlichen Ländern durchgeführten Studien zeigen geringe Effektstärken bei etwas geringerer Anzahl von Therapien. Somit zeigt die Studienlage zur Akupunktur positive Hinweise (moderate evidence), jedoch werden nun große und gute Studien benötigt, um diese Ergebnisse zu untermauern.
 
Fazit
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Akupunktur nach wissenschaftlicher Betrachtungsweise eine durchaus evidenzbasierte Option zur Behandlung der Depression darstellt. Insbesondere scheint eine additive Behandlung mit Akupunktur von Nutzen für Patienten zu sein.

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