Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Asthma

Praxis-Depesche 9-10/2021

Aktualisierte Leitlinie Asthma: Die wichtigsten Neuerungen

Im September 2020 veröffentlichten die Bundesärztekammer, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften gemeinsam mit den zuständigen Fachgesellschaften und Organisationen eine aktualisierte Version der Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) Asthma. Die vierte Auflage enthält eine Reihe von Neuerungen, darunter auch Empfehlungen zur medikamentösen Therapie.
In Deutschland leiden etwa sechs Prozent der Erwachsenen und fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen an einem Asthma. Die chronische Entzündung der Atemwege geht mit einer charakteristischen bronchialen Hyperreagibilität einher, die sich bis zur Obstruktion steigern kann. Die Klassifikation und die Behandlung des Asthmas richten sich mittlerweile nicht mehr nach der Schweregradeinteilung, sondern nach der Asthmakontrolle, welche anhand der Symptomatik (Beschwerden tagsüber und nachts, Häufigkeit einer Bedarfsmedikation, erkrankungsbedingte Aktivitätseinschränkung) sowie dem Risiko für eine zukünftige Verschlechterung des Asthmas objektiviert wird, erläutert die Leitlinienkommission. Bei Erwachsenen, so ihre Empfehlung, soll in jeder Therapiestufe ein Bedarfsmedikament bei dem Patienten (kurzwirkende Beta-2-Sympathomimetika/ SABA oder Fixkombination aus inhalativen Kortikosteroiden/ICS und Formoterol) eingesetzt werden, um Akutsymptome zu behandeln. Auch Kinder und Jugendliche sollen in jeder Therapiestufe zur Akutbehandlung ein Bedarfsmedikament erhalten. Anstelle der gebräuchlichen Bedarfstherapie mit einem SABA können Jugendliche ab zwölf Jahren in Stufe 1 und 2 alternativ eine ausschließlich bedarfsorientierte Anwendung der Fixkombination aus einem niedrig dosierten ICS und Formoterol (Off-Label- Use) erhalten.
 
Entzündung kontrollieren
Ein wichtiges Kriterium für den Erfolg der Asthmatherapie ist der geringe Bedarf an SABA, so die Experten weiter. Die Basis der Langzeittherapie bilden ICS, weil diese die der Erkrankung zu Grunde liegende Entzündung behandeln. Reicht die Bedarfsmedikation zur Kontrolle der Beschwerden nicht aus, sollen die Betroffenen ICS erhalten. Monotherapien mit einem inhalativen langwirkenden Beta-2-Sympathomimetikum (LABA) sollen dagegen nicht mehr durchgeführt werden. Der Grund: LABA lindern zwar die Asthmasymptome, bekämpfen aber nicht die Entzündung. Eine Monotherapie mit LABA ohne ICS führt zu mehr Exazerbationen. Sind ICS und LABA indiziert, sollen Betroffene daher bevorzugt eine Fixkombination erhalten. Monoklonale Antikörper sind dagegen erst in der letzten Therapiestufe vorgesehen, um die Langzeittherapie mit oralen Kortikosteroiden zu vermeiden. Zuvor sollen alle anderen medikamentösen Optionen ausgeschöpft werden.
 
Patientenschulung und Sport sind wichtig
Besonders wichtig ist der Leitlinienkommission, dass die Patienten sowohl bei der Neuverschreibung als auch bei jedem Wechsel eines Inhalationssystems in dessen Gebrauch unterwiesen werden und die korrekte Handhabung einüben. Ob die Betroffenen die Inhalationstechnik beherrschen, soll regelmäßig und insbesondere bei unzureichender Asthmakontrolle überprüft werden. Zusätzlich soll jedem Asthmapatienten mit Indikation zu einer medikamentösen Langzeittherapie (bei Kindern und Jugendlichen auch deren Familien), die Teilnahme an einem strukturierten, verhaltensbezogenen Schulungsprogramm ermöglicht werden. Unter anderem erfolgt hier die Anfertigung eines Asthma- Aktionsplans mit individuellen Therapieund Notfallmaßnahmen. In einem akuten Asthmaanfall sind Selbsthilfemaßnahmen (z. B. atmungserleichternde Körperhaltung, dosierte Lippenbremse) besonders wichtig: Sie verringern die Angst, helfen den Schweregrad einzuschätzen und die Bedarfstherapie einzusetzen. Die Erfahrung zeigt, dass nicht geschulte Patienten oft zu lange versuchen, einen Anfall durch Bedarfsmedikamente zu kupieren. Der Arzt wird vielfach erst spät konsultiert.
Antibiotika werden erfahrungsgemäß häufig unnötig zur Behandlung des Asthmaanfalls eingesetzt, berichtet die Leitliniengruppe. Aus ihrer Sicht ist dies jedoch nur dann angezeigt, wenn eine bakterielle Infektion zugrunde liegt. Ferner betonen die Experten: Körperliche Aktivität ist trotz Asthmaerkrankung möglich und wichtig. Die Betroffenen sollen – eine gute medikamentöse Einstellung vorausgesetzt – zu regelmäßigem körperlichem Training ermutigt werden, da dies ihre Belastbarkeit und Lebensqualität verbessert und Komplikationen vorbeugt.
Einen weiteren Schwerpunkt legt die Leitliniengruppe auf den Berufsaspekt: Es gibt Arbeitsplätze, die für Menschen mit Asthma weniger geeignet sind. Bei Jugendlichen mit Asthma soll daher die anstehende Berufswahl thematisiert werden. Da die Aufgabe der Berufstätigkeit oder ein Berufswechsel stark in das Leben der Betroffenen eingreifen, muss vor einer entsprechenden Empfehlung die Diagnose durch einen Spezialisten (Pneumologen, Arbeitsmediziner) inklusive Befunddokumentation mit und ohne Arbeitsplatzexposition gesichert werden. LO
Quelle: Bundesärztekammer (BÄK); Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV); Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF): Nationale Versorgungs-Leitlinie Asthma – Langfassung, 4. Auflflage. Version 1,2020. doi: 10.6101/AZQ/000469

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